6. Dezember 2018
Volkshaus – Zürich
Band: Charlotte Gainsbourg
Als die Band wieder auf die Bühne zurückkehrte, da zeigte Charlotte Gainsbourg noch einmal, dass sie ganz klar die Grand Dame des Pop ist. „Runaway“ von Kanye West wurde von einem lauten – und für den Rapper typisch extrovertierten – Song zu einem sanften Abgesang auf falsche Sichten und voreingenommene Meinungen. Wer braucht da noch egomanische Männer im Mittelpunkt, wenn es mit Witz und Sanftheit besser funktioniert? Wobei der Abend im Volkshaus Zürich keineswegs ruhig und zurückhaltend war.
Die französische Künstlerin, welche vor einem Jahr ihr fünftes Album «Rest» veröffentlicht hatte, bewies, dass das Chanson schon lange ein Akzent und kein bestimmendes Element mehr ist. Die Band um Charlotte Gainsbourg legte von Beginn an einen Teppich aus Synthesizer, Gitarren und tiefen Bässen. Das Schlagzeug wurde mit elektronischen Samples aufgepeppt, die Stimmen immer wieder verfremdet. „Ring‐a‐Ring o‘ Roses“ wurde zu einem Dreampop-Vergnügen auf wolkenmässigen Klängen und dem verführerischen Refrain, „The Songs That We Sing“ entpuppte sich als voluminöse Liebeserklärung an das Publikum.
Mit viel Charme und versteckter Erotik wandten sich Charlotte Gainsbourg und ihre Musiker an die Anwesenden, luden zur Disco ein und füllten den Saal mit Rhythmik und Mystik – dann wieder verkleinerte sich der Raum zu einer intimen Betrachtung der Vergangenheit. Die Künstlerin sinnierte über ihre Halbschwester und ihren Vater, tauchte in kindliche Fantasiewelten ab und bewegte sich zerbrechlich wirkend zwischen den Songs. Die Coolness verlor sie dabei nie, viel mehr wurden Stücke wie „Sylvia Says“ zu einem glitzernden Vorbildsymbol.
Schade nur, war die Stimmung im Publikum oft etwas verhalten. Obwohl genügend Platz vorhanden gewesen wäre, wagten sich nur wenige, diesen Donnerstagabend mit Tanzbewegungen zu feiern, viel lieber wurden die Arme mit dem Hochhalten der Mobiltelefone trainiert. Aber auf der Bühne blitzte es auch konstant und beeindruckend, zeigte sich Charlotte Gainsbourg in einem Meer aus Lichtkonstruktionen und choreografischen Abfolgen. In monochromer Wirkung gehalten, wurden Songs und Band mit Bildern umrahmt, die aus den Liedern ein visuelles Abbild gestalteten.
Das passte wunderbar zu dem Synthiepop, dem seufzenden Alternative Rock und dem französischen Flair. Und obwohl sich Frau Gainsbourg mit dieser Show bereits in Zürich gezeigt hat, bewiesen besonders die neuen Songs von „Rest“, dass sie immer wieder gehört werden können. Vor allem in dieser dynamischen Version, getragen von Ausdruck und Experiment.
Text: Michael Bohli
Bilder: Christian Wölbitsch