X-TRA – Zürich
Sonntag, 26. November 2023
Text: David Spring / Bilder: Christian Wölbitsch
Kaum eine deutsche Band ist derzeit so sehr in aller Munde, wie die Chemnitz-meets-Las-Vegas-Indie-Pop-Grossmeister:innen von Blond. Dies zeigte sich auch auf ihrer aktuellen Perlen-Tour, musste ihre Show in Zürich doch kurzerhand vom Dynamo ins um einiges geräumigere X-TRA hochverlegt werden. Einem ekstatischen, wilden Abend stand also nichts im Wege.
Den Auftakt in der bereits sehr gut gefüllten Halle machte die talentierte deutsch-vietnamesische Künstlerin veenus*. Ganz alleine stand sie da, nur mit einem Laptop und ihrer beachtlichen Stimme bewaffnet, und schnell stellte sich heraus, dass uns hier jemand sehr Talentiertes musikalisch beglücken würde. Auf überaus charmante Art stellte sie ihren ersten Song als eine selbst-produzierte Liebeserklärung an Bánh Bao, ein vietnamesisches Teigtaschengericht, vor und damit auch ihre Zwiegespaltenheit als in Deutschland aufgewachsene Vietnamesin. Die Lieder von veenus* sprachen vielen Menschen im X-TRA aus der Seele, ob feministische Kampf-Hymnen oder völkerverständigende Pop-Songs, die direkt aus dem Herzen kamen, es war wunderschön und beachtlich, was die Künstlerin hier ablieferte.
Den Song «NPC» kündete veenus* als neuen, traurigen Song an, aber mit der Anmerkung, dass dieser deshalb ja noch lange nicht auch traurig klingen müsse, perfekt für die «sad but sexy»-Playliste. Und kurz darauf forderte sie uns alle auf, das folgende Tiktok-Lied mitzusingen, obschon wohl die wenigsten Anwesenden der vietnamesischen Sprache mächtig waren – was die gutgelaunte und energiegeladene Künstlerin nicht im mindesten störte. Wahrlich eine fantastische Entertainerin, die wichtige Messages an die Leute trug und gleichzeitig unglaublich einheizte. Viel zu bald war der tolle Auftritt zu Ende und veenus* entliess uns perfekt, in dem sie uns alle zu «es ist schön, es ist toll, Blondinator zu sein» Chören aufforderte. Besser geht’s nicht.
Ja und damit hiess es dann Bühne frei für Blond! Diese tauchten nach einem kurzen Intro aus dem Nichts in zur Bühnendeko passenden, voluminöse Outfits hinter ihren Instrumenten auf und brachten mit «Durch die Nacht» gleich alle in Bewegung. Die Stimmung im X-TRA war ausgelassen euphorisch und man merkte, dass Viele es nicht erwarten konnten, mit dieser Ausnahme-Band aus Chemnitz in die Nacht zu tanzen. Das glorreiche «Mein Boy» und das beinahe schon altertümliche «Kälberregen» brachten ordentlich Bewegung auf, doch spätestens mit der ausufernden, aberwitzigen Begrüssung gewannen Blond die Herzen restlos aller. Keyboarder/Bassist Johann steckte sich während den Ansagen von Lotta (Schlagzeug) und Nina Kummer (Gitarre) am liebsten eine Kippe an, während sich die beiden Schwestern genüsslich mit dem Publikum unterhielten und uns wiederholt zum Lachen brachten. Die beiden konnten zum Beispiel kaum glauben, dass zu dieser Jahreszeit immer noch einige Menschen gerne in der Limmat schwimmen gehen. Ach, die verweichlichten Deutschen, wie süss.
Blond lieferten eine fantastische Show ab und wickelten die Leute ohne Probleme um die talentierten Finger. Das Set war abwechslungsreich und bot reichlich Raum für sämtliche Emotionen. Seien das fantastische Tracks wie «Sims 3» und «Tanz» , die schonungslose Kampfansage «Oberkörperfrei», die tolle Ode an die Periode «Es könnte grad nicht schöner sein» oder krasse, emotionale Perlen wie das so verstörende wie geniale «Toxic» oder das unfassbar eindringliche «Immer lustig», bei welchem die Bühne von zynischen Luftblasen eingelullt wurde und einigen ob dem schmerzhaft ehrlichen Text die Tränen in den Augen standen – es war eine unglaubliche Party, bei der auch nie die Inhalte zu kurz kamen. Dazwischen gab es mit Mando Diaos «Dance With Somebody» ein passendes Cover, sowie eine beinahe Musical-artige Werbe-Einlage, bei der die Merchandise-Artikel auf äusserst witzige Art und Weise angepriesen wurden, obwohl die Band diese gar nicht erst in die Schweiz mitnehmen konnte. Ebenfalls sehr amüsant war die riesige Wall of Death, in deren Mitte ein paar mutigen Artisten aus dem Publikum kurz ihre Kunststücke darboten, bevor dann alle kollektiv durchdrehten. Mit «Du musst dich nicht schämen» war irgendwann mit der ultimativen Blond-Hymne das Ende erreicht und es gaben nochmals alle den letzten Rest an Energie, um diese einzigartige Band gebührend abzufeiern.
Natürlich aber konnten uns Blond nicht so einfach gehen lassen, ein paar Zugaben mussten sein. So gab es erstmal eine eher eigenwillige Blockflöten-Interpretation von Europe’s «The Final Countdown», bevor uns das wundervolle «Du und ich» und das uralte «Spinaci» nochmals alles abverlangten. Als allerletztes folgte dann, was folgen musste: die geniale, feministische Überhymne «Männer»! Das X-TRA stand komplett Kopf und ging gnadenlos ab. Und damit waren Blond 2023 am fulminanten Ende angelangt und entliessen uns in die Kälte zurück. Es war ein unglaubliches Fest, vom wundervoll diversen und feierwütigen Publikum über die grossartige Support-Künstlerin veenus* bis hin zum einzigartigen, genialen Mainact stimmte einfach alles. Skandieren wir also nun ein letztes Mal «es ist schön, es ist toll, Blondinator zu sein!», denn ohne Blond wäre die Welt zweifellos eine schlechtere.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
- Durch die Nacht
- Mein boy
- Kälberregen
- Tanz
- Ich sage ja
- Thorsten
- Sims 3
- Immer lustig
- Oberkörperfrei
- Toxic
- Dance With Somebody
- Es könnte grad nicht schöner sein
- Sanifair Millionär
- Du musst dich nicht schämen
Zugaben
- Du und ich
- Spinaci
- Männer