12. Oktober 2019
Palace – St.Gallen
Bands: Black Sea Dahu / Mnevis
Man sollte tun, was man gerne tut. Ein Luxus, den man sich nicht in allen Ecken der Welt leisten kann. Aber das bedeutet ja nicht, dass man deshalb auf ihn verzichten soll. Und Verzicht ist das Stichwort, wenn es darum geht, sich lieber Zeit zu nehmen als viel Geld zu verdienen. Irgendwann an diesem Konzertabend stand dieses Thema im Raum, der Grund war ein Buch, das Janine Cathrein plötzlich in den Händen hielt und der Anlass war der Auftritt von Black Sea Dahu im St.Galler Palace.
Zuerst waren da aber die Aargauer Mnevis und ihr hypnotischer Psychedelic-Rock. Tiefenentspannt und einmal sogar grossartig melancholisch, da wo vorher noch die Rede von der Zeit war, die man mit dem Grossvater verbracht hat („Tomorrow“). Auf ihrem Debüt-Album „Episodes“ kommt das einem alles weitaus elektronischer entgegen, in einer Konzertvorschau konnte man sogar den Begriff Indie-Pop lesen. Ein durchweg unaufgeregter Auftakt, der hervorragend zu dem passte, was danach noch folgte und trotzdem komplett für sich stand. Mnevis haben sich damit für weitere, grössere Aufgaben empfohlen.
Dann kam die Umbaupause, die letzten Plätze im bestuhlten Palace wurden bezogen und tatsächlich war es bald einmal mucksmäuschenstill. Eine Seltenheit heutzutage und klares Zeichen dafür, für was die allermeisten Anwesenden hier waren. Für die Musik von Black Sea Dahu. Sucht man im Netz nach Artikeln über die Band, dann geht es oft um den Erfolg des Songs „In Case I Fall For You“ auf Streaming-Plattformen. Dieser brachte zwar kaum Geld dafür aber offenbar viel Aufmerksamkeit ein. Die meisten Auftritte rund um die neue EP „No Fire In The Sand“ sind in der Schweiz bereits ausverkauft – wie der im Palace, bei dem die Zürcher Band mit der Songwriterin Janine Cathrein in tollem Ambiente zeigen konnte, warum das so ist. Und das ist dann auch einträglicher als Streaming. Aber von der Musik leben? Nun, immerhin ist die Band sogar in der Lage, ihr eigenes Merchandising herzustellen. An Talent und Hingabe fehlt es Black Sea Dahu also zweifelsohne nicht. Und die aktuelle Tour führt sie unter anderem nach Frankreich, Deutschland, England und in die Niederlande. Spätestens jetzt sollte allen klar sein, dass die kurz vor dem Sprung sind.
„In Case I Fall For You“ befindet sich auf dem vor einem Jahr erschienenen Debüt „White Creatures“, das sehr viel mehr ist als nur der eine Hit. Und dieser noch nicht einmal der beste Song der Platte. Darüber kann man natürlich streiten, aber “Take Stock Of What I Have“ ist mindestens so gelungen. Nichtsdestotrotz war die Reaktion des Publikums beim bekanntesten Song am deutlichsten. Insgeheim geriet dann ein ganz anderer Kandidat zum Höhepunkt: „Thaw“ ist auch auf der EP „No Fire In The Sand“ eine Perle.
Und so endete ein Abend umrahmt von Lebenseinsichten mit der Erkenntnis, dass es möglich ist, der manchmal auch bünzligen Idee zu entsagen, doch bitte einen „richtigen“ Beruf zu lernen oder studieren zu gehen. Ein Lebensentwurf, der in anderen Ecken der Welt einen anderen Stellenwert hat. Black Sea Dahu bleiben dabei authentisch und werden nicht etwa besserwisserisch. Das ist inspirierend und ansteckend. Dass hier aber nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, geht dabei schnell vergessen. Die vermeintliche Leichtigkeit kann nicht über die Last vieler Textpassagen hinwegtäuschen, sondern ihnen oft nur ein bisschen das Gewicht nehmen. “I’m so sorry, but I swore by my mother/ That I wouldn’t believe in love“, singt Janine Cathrein in „How You Swallowed Your Anger“ und was soll man dazu noch sagen? Schuldgefühle, Geständnisse und Entschuldigungen. Auch davon kann man nicht leben. Und so war klar, dass man aus dieser Sache nicht rauskam, ohne am Merch-Stand etwas Selbstgemachtes zu kaufen.
Text: Michael Messerli