19. Oktober 2018
Werk21 – Zürich
Bands: THOT / thisquietarmy / hubris. / All You’ve Seen
Jedes gute Festival bietet für die neugierigen Besucher am Ende eine neue Lieblingsband, eine grosse Überraschung. Beim dritten bergmal im Dynamo in Zürich funktioniert die Welt etwas anders, bot der Anlass schliesslich bereits am ersten und noch kleinen Freitagabend vier Möglichkeiten zum neuen Glück. Vier Konzerte, vier Stimmungen und eine kontinuierliche Steigerung – bis am Ende, für mich zumindest, mit Thot die Geschichte neu geschrieben wurde.
bergmal – ein Begriff, der sich seit der ersten Ausgabe 2016 schnell in der Szene als Synonym für Mut und Vielseitigkeit etabliert hat, steht das Festival dafür ein, die Nische des Experimental- und Post-Rock bekannter zu machen. Und weil es so viele spannende Künstler in diesen Gebieten gibt, wurde der Anlass dieses Jahr um einen weiteren Abend erweitert. Mit nur einer Bühne und im gemütlichen Rahmen, ein perfektes Einstimmen um sich mit alten und neuen Freunden zu treffen. Was auch zwischen Bühne und Zuschauerraum im Werk21 funktionierte.
Mit All You’ve Seen gab es die Aufbruchsstimmung in vertrauter Form des instrumentalen Post-Rock. Zu dritt tauchten die Aargauer in die Tiefen der Gitarrenflächen, der polternden Schlagzeugrhythmen und der schweren Bässe ein. Lange Lieder, ein dynamisches Wogen, ein toller Einstieg. Was von hubris. als zweite Band weitergeführt wurde – man befand sich sozusagen in der Phase des Sturm und Drang.
Die Fribourger, welche seit 2014 den Post-Rock mit heftigen Attacken und zweistimmig gespielten Gitarrenexperimenten ergänzen, steckten seit längerer Zeit wieder die Köpfe zusammen, um die Besucher mit ihren erzählerischen und ausufernden Kompositionen zu überraschen. Da brauchte es nicht viel, und die Spielfreude der vier Jungs schwappte als Begeisterung auf die Zuschauer über. Gut so, denn die dunklen Wolken folgten nun in grossen Schritten.
In wenig Licht gehüllt, mit flackernden Projektionen und lauten Drones meldete sich danach nämlich Kanada zu Worte. thisquietarmy, auf dieser Tour zum ersten Mal als komplette Band unterwegs, liessen uns alle die Wucht und Intensität des neuen Albums „The Body And The Earth“ erleben. Mit Bläsern, unendlich vielen Effektgeräten und dem Gewitter des Schlagzeugs wurde das Konzert von Eric Quach und seinen Musikern eine wuchtige Erfahrung, die durch alle Fasern des Körpers drang. Was eigentlich ein in seiner Form des Wachsens der perfekte Schlusspunkt gewesen wäre.
Doch mit einer gewissen Truppe aus Belgien wurde es im Werk21 kurz vor Mitternacht noch einmal anders – anders laut, wild und genial. Thot, benannt nach dem ägyptischen Gott des Mondes, stellten alle Anwesenden auf die Probe mit ihrer Musik, welche in Konfrontation und Chaos aufging. Zwischen ethnischen Gesängen, druckvollen Dark-Wave-Synthies, verrückten Gitarrenläufen und kolossalen Schlagzeugschlägen fand sich Musik zusammen, die sich jeglicher Kategorie entzog. Grégoire Fray nahm mit seiner Band den ersten Abend des bergmal, stellte alles auf Kopf und bildete aus den Einzelstücken eine neue Vision der experimentellen und harten Musik.
Es lag also auf keinen Fall nur an den Getränken, dass man am Ende dieses ersten Abends die Leute etwas wacklig auf den Beinen das Dynamo verlassen sah. Der erste Schweizer Auftritt von Thot hat uns alle mitgenommen, auf welche Weise auch immer. Und zugleich perfekt aufgezeigt, dass das bergmal Festival immer wieder der perfekte Ort ist, um sich klanglich und menschlich überraschen zu lassen. Tag zwei, ich bin mehr als bereit.
Text: Michael Bohli