30. März 2019
Sommercasino – Basel
Bands: Anna Aaron / Falterkatz
Verschleiert und von Schlagzeuger Fred Bürki durch den Raum geführt, betritt die Basler Künstlerin Anna Aaron die Bühne. Mittig vor dem Mikrofon in die Lichtstrahlen gehüllt, wie eine Predigerin, wie eine Heilige. Mit dem gebetsartigen Intro wurde aber nicht um Glaubensaufgabe oder Bekehrung gebeten, sondern Aufmerksamkeit und Offenheit. Im Gegensatz zu ihrem neusten Video „White Lady“ zeigte sich die Musikerin im Sommercasino nämlich nicht als halben Roboter, sondern als Ursprung der Menschlichkeit. Emotion, Aussage, globale Zusammenhänge – die Taufe von ihrem neuen Album „Pallas Dreams“ wurde zu einem ganzheitlichen, mitreissenden Ereignis.
Schön die Entscheidung, diese Taufe erst nach vielen Auftritten mit den neuen Liedern anzutreten. Anna Aaron zeigte sich mehr als sicher in ihren Liedern, die Abläufe waren für sie und ihren Tourschlagzeuger gefestigt, das Konzert wurde zu einem geschickt abgestimmten Reigen an Gefühlen und tanzbarer Musik. Technoid und stark elektronisch, von Synthesizer und Drumpatterns bestimmt – Songs wie „Boy“ oder „Last Time We Met“ waren laut, wuchtig und füllten den Saal komplett aus. Wie es sich für die zeitgemässe Popmusik aber gehört, boten die Lieder live viele Kanten und Normverletzungen. Grossartig gesungen, nie um ein echtes Gefühl verlegen, ehrlich und direkt aus dem Herzen.
Was zu Beginn mit „Dear Dear“ noch melancholisch und wunderschön den Abend eröffnete, das wurde spätestens bei „Why Not“ zu einer lärmigen Abrechnung mit dem anderen Geschlecht und ungerechter Behandlung. Da positionierte sich Anna Aaron wieder im Zentrum, unterstrich ihre Sätze mit umfassenden Gesten und schien den Anwesenden direkt aus der Seele zu singen. Ja, „Pallas Dreams“ war klar der Hauptinhalt dieser Taufe, wie sollte es auch anders sein. Das Album, welches im Januar die Musikszene der Schweiz auf eine neue Ebene befördert hatte, verlor weder in der veränderten Präsentation noch dem direkten Gespräch seine Wirkung.
Klar, die süssen Klaviermelodien von „Moskito“ fehlten, der Unschuld der klanglich verpackten Erinnerungen schadete dies aber nicht. Eine Reise durch das Leben und Wirken von Anna Aaron war das Konzert in Basel, ein faszinierender Einblick in das Dasein der Sängerin. Und wenn sie am Ende nach den beiden Zugaben ohne personelle Verstärkung die Anwesenden mit tränennassen Augen betrachtete, dann war sie meilenweit von den Hüllen, den Panzern, den Schutzschichten weg, nein es war die Zerbrechlichkeit von Sufjan Stevens, welche aufgegriffen wurde. Radikal in seiner Wirkung, human und empathisch in der Ausführung – diese Künstlerin ist ein Ausnahmetalent.
Umso passender, durfte ihr Bruder als Falterkatz dieses Erlebnis beginnen. Alleine mit der Gitarre bewies der Basler Künstler und Produzent, dass er nicht nur hinter den Kulissen agieren, sondern seine Ideen selber auf der Bühne ausformulieren kann. Inhaltlich romantisch und surrealistisch, wurden die sanften Songs zu einer Brücke der greifbaren und fantastischen Welt. Leicht morbide zu Beginn, mit dem Verlauf immer wieder in einen Traumzustand abdriftend – aber nie ohne die Wahrheit zu vergessen.
Text: Michael Bohli
Bilder: Anna Wirz