25. Januar 2020
Schützi – Olten
Bands: Greenleaf / Asbest / One Sentence. Supervisor / Chelsea Deadbeat Combo / Beesus / Cruise Ship Misery / Roamer / oldseed
Zehn Jahre, ein wunderbarer Geburtstag, toller, gibt es das Lokal beim Bahnhof Olten noch immer, mit viel Kultur und noch mehr Kater. Und was stets ein buntes Gemisch an Meinungen, Darstellungsformen und Stilrichtungen war, das kumulierte sich während zwei Tagen in der Schützi Olten zum grossen Geburtstagsfest. Von leisen Saitenzupfereien zu ohrenbetäubendem Bassdonnern, von emanzipiert und eloquent ausformulierten Gedanken bis zu bestialischen Schreien – gerade der Samstag zeugte von einer herrlichen Vielfalt.
Fast etwas zu viele Bands gab es an diesem Nachmittag und der dazugehörigen Nacht zu erleben, aber Kultur und Party darf schliesslich auslaugen. Mit Livebands war es an dieser Sause aber nicht getan, das Team des Coq d’Or bündelte die ausufernde Kreativität und lud auf der Galerie in der Halle zu einer Ausstellung ein, inklusive grossen Fotoportraits der heimlichen Stars im Keller des „Güggels“, den wunderbaren Pissoirs. Im Eingangsbereich gab es Essen, Merchandise und eine Box, in der stündlich das Nebenprogramm wechselte. So kam es vor, dass man auf dem Weg Richtung frischer Luft mit fremden Leuten Arm in Arm Karaoke zu den Backstreet Boys zelebrierte.
Die Menschen waren auch für ihn immer wieder der Hauptgrund, wieso er nach Olten zurückkehrte, so fasste der Singer-Songwriter Craig Bjerring alias oldseed das Grundgerüst des Coq d’Or perfekt zusammen. Alleine mit seiner Gitarre und den wunderbaren Liedern eröffnete er die Feier, mal in der Region von Neil Young, dann wieder direkt und mit Freude am Punk. Gewitzt und sprachlich formvollendet, doch leider verpufften die Worte und Melodien des Kanadiers in einem fast leeren Raum. Was allerdings weder ihn noch Roamer nachfolgend von einem tollen Konzert abhielt. „What the Hell“ heisst nicht nur deren aktuelle Scheibe, sondern war Gedanken vieler Anwesenden.
Denn die Mischung aus leichtem Industrial, Art-Rock, Jazz und Disharmonie war für alle gleichermassen schräg. Frontmann Samuel Blatter führte seine Mannen durch Noise und Feedback, zu Piano und Geschunkel. Die Kreuzfahrt mit dem Duo Cruise Ship Misery aus Bern war schneller erfassbar, nicht zuletzt dank den tanzbaren Popmomenten und untertitelten Texten. Slam und Konzert, Meinungserklärung und Position oberhalb des Publikums, diese zwei Frauen boten Neubetrachtungen. Darum schon fast ordinär das nachfolgende Trio, aber nur fast.
Beesus aus Rom holten eine grosse Portion Kiffertum aus Italien in die Halle und schlenderten durch brachiale Riffs, Grungeremimiszenzen und eine schräge Form des Humors. Ansteckend war die Energie des Konzertes auf jeden Fall und die Besucher*innen liessen sich endlich zu lautem Jubel anstecken. Was für den restlichen Abend anhielt und durch die sympathische und mitreissende Darbietung der Herzogenbuchseer von Chelsea Deadbeat Combo aufs Höchste verstärkt wurde. Hardcore und Punk, Hymnen des Albums „Perspectives“ und Sänger Norman, der während des gesamten Auftritts in den Zuschauerreihen umherging.
Etwas statischer das Konzert von One Sentence. Supervisor, die allerdings in allen anderen Bereichen auftrumpften. Krautrock der Neuzeit, perfekt auf den Punkt gebracht, unglaublich präzise gespielt und mit packenden Steigerungen. „Acedia“ und Oud, Ausverkauf der Menschheit und feine Emotionen – eine Band mit wahrer Grösse. Was Asbest aus Basel mit ihrem wuchtigen Sturm aus Noise und Punk ins Gegenteil zerrten, schon nach wenigen Takten fühlte man sich klein und erschlagen. Wunderbar, denn das Trio spielte so stark auf, wie schon lange nicht mehr. Bereits der Start mit „Interstates“ und „Chain Reaction“ machte klar: Brutaler war an diesem Samstag niemand.
Ausgelassen und wie eine Heilung dann unser Abschluss mit Greenleaf aus Schweden: Stoner-Rock der zu Bierduschen einlud, zu sympathischen Rempeleien und ein Wiedersehen mit der Band, welche bereits am zweiten Fog Town Fest die Schützi zum Beben brachte. Diese Fuzz-Riffs füllen die Ohren so weit auf, dass man auf den Weg nach Hause die Saiten und Felle im Kopf zu spüren schien. Allgemein, diese Geburtstagsfeier wird lange in Erinnerung bleiben und stärkt die Freude auf viele weitere Jahre mit dem goldenen Hahn, der eine neblige Stadt im Mittelland immer wieder glänzen und scheinen lässt.
Text: Michael Bohli