One Little Independent / VÖ: 8. Oktober 2021 / Electronica, Klassik
avawavesmusic.com
Text: Michael Bohli
Falls es jemand von euch noch nicht mitgekriegt haben sollte: Neoklassik und Electronica sind zwei Felder, die wunderbar zusammenpassen. Anna Phoebe und Aisling Brouwer beweisen dies als zeitgenössisches Duo AVAWAVES (das Debütalbum «Waves» erfolgte noch unter dem kürzeren Namen AVA), Streicher und Partituren treffen auf Beats und Veränderungen aus dem Synthesizer. Weitreichend und träumerisch ist die präsentierte Musik, auf der einen Seite Pop und doch mehr. Sehr passend, fast gar offensichtlich der Albumtitel «Chrysalis».
Die beiden Musikerinnen entpuppen sich auf ihrem Werk vor allem als Meisterinnen der Stimmungen. Ohne Mühe flechten sie handgemachte Tonspuren unter die digitalen Welten, die Vielfältigkeit wird durch Schichten und pendelnde Melodien erreicht («Seahorse»). Was in der Schweiz Leute wie Tobias Preisig kreieren, das spielen AVAWAVES in England mit grossem Ideenfundus. Cineastisch wird als Adjektiv immer wieder verwendet und trifft zu, «Before We Wake» oder «Forest Whispers» sind Lieder mit gefühlvollem Boden und einer angenehmen Grösse.
Wenn in der Mitte des Albums bei «Midnight Bird» der Gesang von YVA erklingt erschreckt man fast über die menschliche Rückkehr, hätte der Rest auf «Chrysalis» schliesslich aus einer ätherischen und andersartigen Welt stammen können. AVAWAVES sperren sich aber nicht gegen die Anbindung an den Grund und verlieren in ihrer Musik niemals die Realität. Klassik, Folk und Facetten von Traditionals dienen als Anker, «Awakening» beschliesst das Album mit Energie und Schmiss. Eine Platte, so vielseitig wie die Herkunft der Musikerinnen und Möglichkeiten Londons.