Band: Assemblage 23
Album: Bruise
Label/Vertrieb: Accession / Indigo
Veröffentlichung: 8. Juni 2012
Website: assemblage23.com
Geschrieben von: Dennis Bäsecke
Mit einer Radio-Noise-Klangcollage eröffnet Tom Shear den Song „Crosstalk“ und damit sein Album „Bruise“. Nach 14 Sekunden befinden wir uns dann aber plötzlich im Dark Wave Universum. Es entfaltet sich ein sehr solider Song mit eingängigen Melodien, vielschichtigen Rhythmuspatterns, die das Tanzbein provozieren und kritischem Text, den man sich von Tom Shears sonorer Stimme sehr gern servieren lässt. Insgesamt ein handwerklich einwandfreier Track, dem mir bei anfänglichem Hören jedoch das ganz persönliche Profil fehlte.
Das ändert sich beim folgenden „The Last Mistake“ schlagartig! Die warme, nach analoger Klangsynthese riechende Arpeggio-Figur, die behutsam im Panorama platziert den Refrain begleitet, verbindet sich mit dem „offbeatig perforiert“ schwebenden Pad und der markanten Gesangslinie, die sich in einer „angeschliffenen“ kleinen Sexte eine Oktave (!) über den melodischen Schwerpunkt der Strophe schwingt. Hier wird der schon so vielfach gehörte Fall in die Subdominante so gekonnt zu inszenieren gewusst, dass für mich ein musikalisch erhebender Moment entsteht. Die etablierte Klanglandschaft wird im Songverlauf auf interessante Weise weiterentwickelt. Ein Highlight des Albums und ein klarer Fall für den Repeat-Knopf.
Nun ist die Latte hoch gelegt. Aber Tom Shear kann die Erwartungen, die er geweckt hat, mit den folgenden Songs durchaus erfüllen; Seine geschmeidigen Dark Wave Kompositionen sind eine Fusion moderner Club-Sounds mit retrospektiven Elementen. An vielen Stellen fällt eine Verwandtschaft zu VNV-Nation ins Ohr. Gerade das Anbändeln mit warmen und „handgemachten“ Klängen, wie in „The Last Mistake“ oder „Darkflow“ erinnert an deren aktuelles Album „Automatic“. In der Detail-Arbeit hört man deutlich, dass der Mann sein Handwerk versteht. Das Album ist randvoll mit Melodien und Prasen, deren Ohrwurm-Sog man sich kaum entziehen kann. Dabei sind sie jedoch nie so naheliegend konstruiert, dass sie in die Banalität kippen würden. So begleiten mich die Verse von „The Noise Inside My Head“, „Automation“ oder „Talk Me Down“ durch die Sommertage.
Das sanfte „Outsider“ mit seinem berührenden Text und der verhallten Sehnsuchts-Gitarre eröffnet eine weitere Facette von Tom Shear’s (Musik-) Kosmos.
Überall auf „Bruise“ findet man interessante Klangkombinationen, die oft schon vorbei sind, wenn man sie gerade hört. So gefällt mir der Anfang von „Talk Me Down“ zum Beispiel sehr. Die fast schüchtern nasale Synth-Linie die sich hier zu Beginn über die warmen Off-Beat-Blasen schmiegt, bevor die Club-Sounds den Raum öffnen und im zweiten Teil der ersten Strophe ein an die 90er erinnerndes in Delays schwimmendes perkussives Element hinzutritt, zeigt die Vielfarbigkeit elektronischer Musik. Manchmal wünsche ich mir ein bisschen mehr Zeit, ein bestimmtes Detail zu hören.
Auf dem Album steht kaum ein Klang, kaum eine Strophe ist komplett gleich, wie die vorangehende. Alles fliesst und entwickelt sich ständig weiter. Dazu kommt Shear’s Stimme. Er singt sehr ausdrucksvoll und hat auch die Intonation im Griff. Das ist leider nicht bei allen Kollegen dieses Genres selbstverständlich. Variationen wie die dezente Distortion in „Automation“ bieten zusätzliche Gesangs-Farben.
Assemblage 23 bleibt zwar innerhalb bestimmter Grenzen des Stiles, lehnt sich also nicht mit extravaganten Experimenten weit aus dem Fenster, überzeugt dort aber umso mehr. Abgerundet wird das ganze durch ein sehr stimmiges Artwork. Eine sehr überzeugende und sympathische Arbeit.
Tracklist:
1. Crosstalk
2. The Last Mistake
3. Over & Out
4. The Noise Inside My Head
5. Outsider
6. Darkflow
7. Automation
8. The Other Side Of The Wall
9. Talk Me Down
10. Otherness
Bandmitglieder:
Tom Shear – Gesang, Komposition und Produktion
Gründung:
1998