Southern Lord / VÖ: 25. September 2020 / Drone, Klassik
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Text: Michael Bohli
Die Orgel steht an den beiden konträren Polen des Lebens: Dem schönsten Tag, der traurigsten Stunde. Die Schwedin Anna von Hausswolff hat uns mit ihren Alben und Konzerten aber gezeigt, dass alles dazwischen ebenfalls von diesem Instrument transportiert wird, dass die Klänge Welten erschaffen und niederreissen können. Doomsday-Sounds, zuletzt furios auf den Alben „Dead Magic“ und „The Miraculous“ zelebriert. Für ihr neustes Werk „All Thoughts Fly“ fand eine Reduktion statt, allein spielte sie die Kompositionen auf der Pfeifenorgel von Göteborg ein.
Gleich mit „Theatre Of Nature“ zeigt die Musikerin die Möglichkeiten, welche das Instrument bietet. Aufschwellend und gewaltig, leise und flüsternd, jegliche Emotion steckt in den einzelnen Bauteilen, der Kosmos drückt durch. Viel Melancholie und Dunkelheit lastet auf den Stücken, ohne aber destruktiv zu wirken. „Sacro Bosco“ lockt mit seinen repetitiven Mustern, mit den angenehmen Drones. In solchen Momenten erinnert das Album an den Soundtrack zu „Interstellar“, gibt sich aber niemals mit einzelnen Motiven zufrieden. Anna von Hausswolff forscht, denkt nach, beschreitet unterschiedliche Wege.
Das zwölf Minuten andauernde und titelgebende „All Thoughts Fly“ lässt die Gleichförmigkeit immer wieder bröckeln, findet die Erhabenheit in den Spalten und lässt am Schluss Sterne aufglühen. Sicherlich sind solche Stellen nur wirkungsvoll, wenn man sich mit der Orgel anfreunden kann. Dann aber zeigt Anna von Hausswolff erneut, dass sie nicht nur die Tasten des Instruments furios beherrscht, sondern die Klaviatur der menschlichen Regungen. Liebe als Grundlage der Kreation, Hoffnung als Antrieb.