Domino Record Co / VÖ: 6. März 2020 / Indie Rock, Folk
annacalvi.com
Text: Michael Bohli
Gejagt zu werden, das lässt nicht viel Spielraum für Details übrig. Was zählt sind die schnellen Entscheidungen, das Überleben. Es passt also wunderbar, präsentiert die Künstlerin Anna Calvi unter dem Namen „Hunted“ raue Versionen von bereits veröffentlichten Liedern. Reduziert, neu betrachtet und mit fremder Hilde erweitert – 18 Monate nach der Veröffentlichung des grossartigen und Genderfragen angehenden „Hunter“ jetzt die klanglich umgekehrte Perspektive.
Beim Hauptalbum zählten die Aussagen, in Worten, in kräftigen Arrangements, in schnellen Tempi. Die Lieder von Anna Calvi sind so gut, dass sie auf dieser EP im neuen Licht genauso stark scheinen. „Swimming Pool“ wird zusammen mit Julia Holter zu einer ätherischen Begegnung, „Haunted“ wäre als Titel ebenso geeignet. Eine Stimmung, die sich durch alle sieben Lieder zieht, am Ende dann der ungefilterten Kraft weicht. „Wish“ wird mit den Joe Talbot von IDLES zu einem dreckigen und hitzigen Blues-Statement, „Indies or Paradise“ stützt sich auf die verzerrte Gitarre.
Minimalistische Versuche sind im Zentrum von „Hunted“, auch wenn Charlotte Gainsbourg ihre Stimme für „Eden“ leiht, zerbrechlich und zittrig wirkt alles. Ein weiterer Grund, wieso diese Neuinterpretationen so eindringlich sind, so emotional – geschönt wird nichts. Da darf „Don’t Beat The Girl out of My Boy“ natürlich nicht fehlen, bei dem die Menschlichkeit mit Courtney Barnett neu ergründet wird. Mit fantastischen Gitarren, mit einem neuen Gefühl der Erstarkung – Anna Calvi bleibt grossartig.