8. November 2019
Komplex 457 – Zürich
Bands: Elbow / Pet Deaths
Als das Leuchten die Musik und das Herz übermannten, da waren Elbow erst beim dritten Song angekommen – doch fast hätte ich das wunderschöne und von Peter Gabriel geadelte Lied „Mirrorball“ vergessen. Einer dieser Hymnen auf die Liebe, welche so wunderschön treffend und berührend von keiner anderen Band als diesen Herren aus Manchester gespielt werden könnte. Der Freitagabend im Zürcher Komplex 457 war deswegen eine Feier an die Emotionen des Lebens, ein Konzert, bei dem sogar Novizinnen eine Verbindung spürten und das Dasein in all seiner Schönheit sahen. Und ein Beweis, dass man sogar in diesem Lokal schweben kann.
Denn wie meist fand ich mich im grossen Saal des Veranstaltungslokals nicht richtig zurecht, die Eingewöhnungszeit dauerte länger als sonst wo. Aber die Vorfreude, das neue Material der Platte „Giants Of All Sizes“ live und wuchtig erleben zu können, die liess sogar das unsägliche Geplapper vieler Anwesenden in den Hintergrund treten. Vor allem während der Vorband und der ersten Konzerthälfte von Elbow wurde munter gequatscht, als ob dies zu einem Konzertgenuss gehören würde. Die voluminösen Bässe von „Dexter & Sinister“ drückten aktuelle Kommentare schnell weg, der politische Song eignete sich sehr gut als Auftakt.
Und dann eben die Discokugel, das an frühe Bandphasen anknüpfende „Empires“, das melancholisch schwankende „My Sad Captains“ – Elbow liessen Zürich in ihre Welt eintreten, in der das Herz immer auf der Zunge getragen wird, in der sich niemand für seine Regungen schämt. Frontman Guy Garvey lockte alsbald Lacher und Gesänge aus den Leuten, mit seiner direkten Art und leicht angeschlagener Stimme. Seine Leistung war trotzdem beachtlich, und die Band selber in den richtigen Momenten eine Sturmbö.
„White Noise White Heat“ zeigte, wie laut Elbow sein können, „Magnificent (She Says)“ liess den imaginären Glitzer regnen. Verstärkt mit Sängerinnen und Streichinstrumenten wurden die Facetten des Alternative Rock geschickt abgedeckt, Popmomente wie Art-Rock-Ausflüge erhielten ihre Berechtigung. Besonders, als gegen Ende des Auftrittes die Besucher*innen doch noch als Einheit mit der Band Gesangsspiele angingen und die Songs laut bejubelte. Spätestens bei der letzten Zugabe, welche natürlich „One Day Like This“ war, sah man die Engländer auf der Bühne als Giganten. Niemals unnahbar und einschüchternd, aber als Leuchtfeuer, als Halt in der kalten Zeit.
Als offene und zugängliche Menschen, was Garvey immer wieder mit den Hinweisen auf die Vorband Pet Deaths untermalte. So begeistert wie er war ich von den Londoner zwar nicht, die Mischung aus Indie, atmosphärischen Kompositionen und langen Momenten hatten aber auf jeden Fall ihren Reiz. Die besungene Lawine kam gegen Ende des Auftrittes doch, die Lieder des neuen Albums „to the top of the hill and roll…“ nutzten die Stille und Leerräume geschickt aus. Ein sanftes Einwiegen in die folgende Intensität.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Dexter & Sinister
2. Fly Boy Blue / Lunette
3. Mirrorball
4. Empires
5. Station Approach
6. My Sad Captains
7. White Noise White Heat
8. Little Fictions
9. Seven Veils
10. Magnificent (She Says)
11. Kindling
12. The Bones Of You
13. Weightless
14. Grounds For Divorce
Zugabe
15. Lippy Kids
16. One Day Like This
Text: Michael Bohli
Bilder: Anna Wirz