25. Juli 2019
L’Asse – Nyon
PALÉO FESTIVAL | paleo.ch
Die Sonne brannte, noch stärker als am Tag zuvor, aber der Brunnen beim Eingang und die vielen Wasserstellen sorgten für die Nötige Erfrischung – man war bereit für einen weiteren Tag am Paléo Festival. Und der brachte nicht nur dunkle Wolken am Himmel, sondern viele schwarze Klamotten.
Stimmung
Conny: Auch am Donnerstag herrschte die geliebte Paléo-Stimmung vor: Gemütlich, friedlich, Feierlaune. Man liess sich von Bühne zu Bühne treiben, hörte sich verschiedenste Konzerte an, liess sich im Gaukler-Viertel „La Ruche“ von den Künstlern bezaubern oder genoss in der „Village du monde“-Bands und kulinarische Spezialitäten aus der Gastregion Québec. Wem es auf dem Gelände doch zu bunt wurde, bestieg die utopischen Pflanzentürme der HES-SO und bewunderte das Treiben, den Glanz und die vielen Lichter von weit oben. Kurz: Es ist unmöglich, sich am Paléo zu langweilen!
Michael: Im Gegensatz zum Mittwoch waren die Besucherinnen und Besucher an diesem Festivaltag leicht älter und bereiter, in die dunklen Gebiete der Musik abzudriften. Was aber keinesfalls bedeutete, der Donnerstag wäre ein Trauerfest geworden. Nein, die Nacht wurde wieder von vielen bunten Lichter erhellt, die Massen bewegten sich fröhlich und munter zwischen Ständen und Bühnen umher. Da zog das wilde Gewitter zum Glück am Gelände vorbei, da wischte man sich den Staub geschickt aus den Kayalaugen. Und zu später Stunde begab man sich erschöpft aber glücklich für einen Schlummertrunk auf das Areal des Campings, leckere Waffelfische inklusive.
Konzerte
Conny: Den Start in den Donnerstag durfte die Neuenburgerin Emilie Zoé mit ihrem rauhen Noise Rock machen – leicht nervös in Anbetracht der Existenz eines Grabens zwischen Bühne und Publikum, aber wie immer mitreissend und emotional. Überhaupt wurden an diesem Tag verschiedenste Rockgenres bedient, so beispielsweise mit den Indie-Rockern von Rolling Blackouts Coastal Fever und Johnny Mafia, den Post-Punkern The Twilight Sad oder den Dark Wavern Rendez Vous. Auch ein Besuch auf der „Village du monde“-Bühne hat sich gelohnt, besonders als die Singer-Songwriterin Charlotte Cardin uns mit ihrer wunderbaren Stimme und souligem Jazz-Pop bezauberte.
Michael: Emilie Zoé machte bereits als erster Act an diesem Tag klar: Die Gitarren und lauten Klänge werden regieren. „The Very Start“ wurde in Nyon auf vorzügliche Weise vorgestellt, einmal mit Schlagzeuger Nicolas Pittet, dann wieder als Solovorstellung. Diese Schallwellen spürte man noch während dem Konzert von Rolling Blackouts Costal Fever aus Australien im Körper. Deren Indie-Surf sorgte für die richtigen Bewegungen, um bei Johnny Mafia die Punkwut rauszulassen, oder bei The Twilight Sad den schottischen New Wave zu verdauen. Schade nur, war es bei deren Präsentation des neuen Shoegaze-Albums „It Won/t Be Like This All The Time“ immer noch sehr heiss im Zelt. Wirklich heftig, krachend und brutal wurde es beim Dark Wave von Rendez Vous, Paris war hier schwarzweiss, rücksichtslos und grossartig – „Superior State“ halt. Der Electro-Pop mit Chanson-Note von Charlotte Cardin war also mehr als nötig, um die Gemüter wieder abzukühlen und die verlorene Liebe in die Herzen zurückzubringen.
Hauptact
Conny: Ich bin ja keine grosse Kennerin von The Cure, aber dieses Konzert war ein klares Highlight des Festivals! Meine Beine schmerzten, mein Rücken und die Füsse auch, ich fühlte mich seit zwei Tagen als einziger grosser Schweisstropfen und begann nun im Regen auch noch/trotzdem/endlich zu frieren (ja, man wird älter). Ich zweifelte stark an meiner Fähigkeit, dieses letzte Konzert noch durchzustehen. Doch schon nach wenigen Songs waren die Bedenken weggeräumt, das halbe Paléo war am Tanzen, Singen und in alten Zeiten Schwelgen. Obwohl The Cure schon seit den Siebzigern existieren, lieferten sie immer noch eine fantastische Show ab. In den ersten anderthalb Stunden wurden nicht viele Worte verloren (eigentlich gar keine), ein toller Song reihte sich an den nächsten. Das ganze Konzert wurde begleitet von einer Wahnsinns-Lichtshow. Nach einer sehr kurzen Pause gab es nochmals eine halbe Stunde Zugabe, die mehr oder weniger aus sämtlichen Hits der Band bestand – zum Glück war zu dem Zeitpunkt schon Freitag … Und dann war es, viel zu schnell, schon wieder vorbei. Nicht nur für uns, auch Sänger Robert Smith machte den Eindruck, als wolle er die Bühne am liebsten gar nicht mehr verlassen. Viel Liebe!
Michael: The Cure, zum letzten Mal durfte ich diese legendäre Formation 2012 in Nyon erleben – und war nun sieben Jahre später noch stärker beeindruckt. Nicht nur wegen der absurd grossen Bühne, der kolossalen Lichtshow und der tollen Begleitung – nein die Wave-Herren aus England bewiesen ihr technisches Können, sorgten für massive Eruptionen und strahlende Gesichter an jeder Geländeecke. Zwei Stunden flog man mit schwarzen Flügeln durch den Nachthimmel, sang gemeinsam die grössten Hits der Gruppe und versank in den elegischen Songs der Spätphase. Ein Konzert, das lange nachhallen wird und von Robert Smith liebend gerne nie beendet worden wäre. Vielleicht in sieben Jahre wieder? Wobei, lieber in sieben Monaten.
Fazit
Conny: Ein wunderbarer Paléo-Aufenthalt geht zu Ende, wie immer viel zu schnell. Einmal mehr nehme ich mir vor, nächstes Jahr die ganze Woche hier zu sein: Einen Tag in „La Ruche“ zu verbringen, einen weiteren in der „Village du monde“, die Stimmung zu geniessen, kulinarische Weltreisen zu unternehmen, mich von Konzert zu Konzert treiben und überraschen zu lassen. Musikalisch sind immer tolle Acts dabei, ob man nun die Namen auf dem Programm kennt oder nicht. Schlechte Stimmung habe ich hier noch nie erlebt. Nur die Zeit ist immer viel zu knapp. Ich freue mich schon auf Ausgabe Nummer 45.
Michael: 2007 betrat ich zum ersten Mal den Boden des Paléo Festivals in Nyon, und es war Liebe auf den ersten Blick. Gross, vielseitig, voller Überraschungen und immerzu wunderschön – ein besseres Festival findet man in dieser Grössenordnung in der Schweiz nicht. Das hat sich auch nach diversen Besuchen nicht verändert und 2019 war erneut die Bestätigung dieser Regel. Hier kann man sich treiben lassen, hier kann man geniessen, hier kann man Neues wagen. Und am Ende verlässt man das Areal mit feuchten Augen aber der Hoffnung, in einem Jahr wieder den Zug in Richtung L’Asse besteigen zu können. Folk Yeah!
Bands: The Cure / Charlotte Cardin / Rolling Blackouts Coastal Fever / Johnny Mafia / Emilie Zoé / Rendez Vous / The Twilight Sad