One Little Independent / VÖ: 12. Juli 2019 / Electronica, Klassik
musicofava.com
Text: Michael Bohli
Man sollte ja nicht immer bei allem gleich nach Max Richter schreien, doch es ist schon auffällig, wie viele Künstlerinnen und Künstler sich seit seinem Erfolg mit der Verbindung von moderner Klassik und Ambient beschäftigen. Wobei wohl eher der Umkehrschluss korrekt ist: Haben durch die Bekanntheit des Komponisten die Labels den Mut gefunden, entspannte und sinnliche Musik vermehrt anzupreisen. „Waves“ von AVA ist ein solches Album, das sich aber von all diesen theoretischen Gedanken loszulösen vermag und eines bietet – die pure Schönheit in der Musik, emotional und ergreifend.
Ohne Effekthascherei, ohne falsche Anbiederungen, das Debütalbum des klassisch ausgebildeten Duos AVA ist organische Musik, die sich wie Schneeflocken auf deiner Haut niederlässt. Anna Phoebe und Aisling Brouwer kombinieren geschickt elektronische Gerätschaften mit Violine und Klavier, lassen dadurch melodiöse Dialoge entstehen, gefühlvolle Tänze, federleichte Gedanken. Die Songnamen verstärken die gehörten Klänge, „Ocean“ fühlt sich wie ein Spaziergang auf den Klippen an, „To Be Alone“ wie das Schweben im Winterwind. Energisch wird die Musik selten, bestimmt ist sie immer („Into The Deep“).
Dank dem virtuosen Geigenspiel und doch an manchen Stellen eingesetzten Beats wirken die Songs von AVA wie die introvertierten Geschwister von Egopusher, „Mulholland“ dient als gelungenes Beispiel dafür. Aber „Waves“ ist nie ein Album, das nach Abenteuern sucht, sondern die weite Welt in all ihrer Schönheit klar erfasst und uns allen einen Halt bietet. Die Herkunft der Musikerinnen fördert dazu den internationalen Gedanken, mit „Resistance“ zielstrebig und bei „Voyager“ Grenzen durchbrechend. Eine Oase im alltäglichen Wahnsinn halt.