Band: First Breath After Coma
Album: NU
Genre: Indie / Pop
Label: Radicalis
VÖ: 1. März 2019
Webseite: First Breath After Coma auf FB
Bevor der Winter sich komplett verabschieden kann, kann man die winterliche Stimmung mit dem neuen Album der fünf Portugiesen von First Breath After Coma noch einmal richtig geniessen. Das Album „NU“, portugiesisch für „nackt“, strahlt eine durchgehende Kühle aus – die passende musikalische Untermalung für lange Autofahrten durch verschneite Landschaften, Waldspaziergänge oder die wärmende Tasse Tee beim Eindunkeln. Mich würd’s auch nicht stören, die normale Soundkulisse der Après-Ski-Bars am Pistenrand durch „NU“ zu ersetzen – natürlich hiessen die flüssigen Wärmespender dann nicht „Holdrio“ oder „Lumumba“, sondern „Heavy“ (Kaffee mit..?) oder „Feathers & Wax“ (Grog?), angelehnt an einzelne Songtitel. Die Stimmung wäre wohl deutlich weniger ausgelassen und heiter, da man sich durch First Breath After Coma nicht gerade dazu animiert fühlt, lustige Anekdoten auszutauschen. Stattdessen würde wohl jeder in Stille für sich, in Gedanken und Melancholie versunken, das Bergpanorama bewundern.
Auch das Albumcover zeigt kein Bild von Harmonie und Frohsinn. Das Gemälde mit dem Titel „Tinder“ des Malers Kenne Gregoire aus den Niederlanden verkörpert, was um „NU“ alles passiert ist. Was ursprünglich als Konzeptalbum begonnen hat, ist in einem Gesamtwerk geendet, brückenschlagend zwischen Bild und Ton. Denn zu den acht Songs des Albums wurde Filmmaterial produziert mit einer Gesamtlänge von 40 Minuten – dabei ist weder Film der Musik noch Musik dem Film untergeordnet. In ausgewählten Kinos ist das gesamte Filmmaterial in voller Länge zu betrachten. Das zugehörige Video zu „Heavy“ ist bereits veröffentlicht worden und zeigt, wie sich ein nackter Mann schreiend durch eine starre Menge weiterer stehender nackter Körper drängt. Nach drei Minuten durchbricht er die vorderste Reihe, rennt und stolpert über die sattgrüne Wiese, während die Morgendämmerung in seinem Rücken den zuvor noch dunklen Himmel erhellt.
Ursache für dieses komplexe Werk mit dem Titel „NU“ war die Einsicht der Musiker, dass das Albumformat in der heutigen Zeit, mit Streamingplattformen und vorherrschenden Singleproduktionen, an Stellenwert eingebüsst hat. Dies wollte die Band nicht so einfach hinnehmen und präsentiert nun mit „NU“, nach ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Thema, eine eigene Interpretation des altbekannten Albumformats.
Musikalisch ist „NU“ ruhiger und minimalistischer als sein preisgekrönter Vorgänger „Drifter“. Der fast durchgehend hohe Gesang ist gewöhnungsbedürftig und trifft sicherlich nicht jeden Geschmack, ist aber wichtige Kontribution zur mystischen und kühlen Atmosphäre, die durch das Album gezogen wird. Musikalische Lieblinge meinerseits sind „The Upsetters“ und „Heavy“, tatsächlich kraftvoller und stärker als der Rest des Albums. Post Rock findet sich kaum noch auf dem neuen Album, stattdessen sind auf Songs wie „Heavy“ und „Change“ viel Synthesizer und auch Stellenweise Blasinstrumente eingesetzt worden, während zum Beispiel „Please Don’t Leave“ sehr reduziert und downbeat eingespielt worden sind. Ein rundes und spannendes Werk, eigen und nicht dafür gemacht, der breiten Masse zu gefallen. Was aber wohl auch nicht das Ziel von First Breath After Coma gewesen sein wird. In dem Sinne: Alles richtig gemacht.
Tracklist:
1. The Upsetters
2. Please Don’t Leave
3. Change
4. Howling For A Chance
5. Feathers & Wax
6. Uneasy
7. Heavy
8. I Don’t Want Nobody
Bandmitglieder:
Rui Gaspar
Telmo Soares
João Marques
Pedro Marques
Roberto Caetano
Gründung:
2012
Text: Sarah Rutschmann