18. November 2018
Plaza Club – Zürich
Band: Anna Calvi
„If I was a man in all but my body / Oh would I now understand you completely“ – dass diese Zeile früh in das Konzert einfand, das überraschte nicht. Denn mit ihrem neuen Album „Hunter“ hinterfragt die englische Künstlerin Anna Calvi unsere alltäglichen Sichten und Meinungen zu Geschlecht und Sexualität. Ihr Konzert im Plaza machte keine Ausnahme, stand nicht nur das Werk im Zentrum (es wurden fast alle Songs davon gespielt) – nein, auch die ganze Bühnenshow folgte der Vorlage. Meist in rotes Licht getaucht, ohne grosse Ausschmückungen und Ablenkungen, intelligenter Indie-Rock der Neuzeit.
Ohne alles zu offensichtlich darzubieten, führte Anna Calvi wie eine stilistische Figur durch den Abend. Sie suchte selten den direkten Kontakt zum Publikum in Zürich, sondern bewegte sich zwischen Stroboskop und Schatten, liess ihren Blicke in der Ferne haften und hielt die Gitarre wie ein Schild zwischen Besucher und eigenen Körper. Doch genau diese durchdachte Pose verlieh dem Sonntagabend schnell eine mystische Wirkung. Man versuchte mit der Musikerin Augenkontakt zu halten, während sie wie eine Furie ihre Riffs erklingen liess.
Allgemein: Diese Wucht an der Gitarre, umwerfend. Während Hymnen wie „Indies Or Paradies“ voluminös und voller Synthieflächen erklangen, zeigten sich Songs wie „I’ll Be Your Man“ oder „Alpha“ als Grundlage für laut Ausbrüche, Soli und lauten Feedbacks. Virtuos und emotional machte sich Anna Calvi die Gitarre zu eigen, spielte mit Leerstellen und Abweichungen der Norm. „Wish“ wurde durch diese Kraft wie eine Neugeburt von Patti Smith, die Zugabe «Ghost Rider» eine lange Orgie des Noise-Rock und des Klanggewitters.
Da sah man Risse in der Maske, da wurde die Figur zum Menschen. Wobei bereits mit ihrer Kleidung Anna Calvi die Antithese zur der damaligen Roboterentwicklung von Kraftwerk darstellte. Schwarze Hose und rotes Hemd, hier stand es für Blut und Leidenschaft, für den gleichberechtigten Menschen. Egal welche Neigung, welches Geschlecht – „Don’t Beat the Girl Out of My Boy“ halt. Mit Schlagzeuger und Synthesizerspielerin als Begleitung, mit gepfiffenen Melodien und klaren Meinungen. Ein Sonntagabend, der sich so offen zeigte, wie es die Welt nötig hat.
Text: Michael Bohli