Warner Music / VÖ: 9. November 2018 / Rock, Synthwave
muse.mu
Text: Michael Bohli
Durch die Brille siehst du die Wahrheit. Dies ist nicht nur ein veralteter Spruch aus dem Film „They Live“, sondern zeigt sich als Aktualität im erstarkten Zeitalter des Retrofuturismus der Achtziger. Ready Player One? Matt Bellamy geht also mit der Zeit und Mode, wenn er in den Videos zum neusten Album „Simulation Theory“ in die digitalen Welten der VR-Simulation eintaucht – und Muse entdecken den Synthwave. Denn vorbei sind die Tage der dreckigen Gitarren, vorbei die lärmenden Ausbrüche. Nun regieren die Power-Chords auf den Keyboards, die digitalen Bässe und das hallende Schlagzeug.
Theoretisch nichts Neues, waren Muse in den letzten Jahren immer stärker dem kitschigen Bombast zugeneigt. Mit Liedern wie „Propaganda“ oder „Something Human“ gibt es aber endgültig kein Halten mehr und die pinken und extremen Farbnuancen findet man nicht nur auf dem Covermotiv. Synthiepop, Computerspielatmosphäre, Nerd-Fantasien – „Simulation Theory“ ist auf der inhaltlichen wie klanglichen Ebene gleichmässig ein unausgegorenes und klebriges Kind. Mal kippt die Scheibe komplett in den Mainstream, dann wieder werden bekannte Soundelemente offensichtlich rezykliert.
Das ist in wenigen Momenten typisch und toll komponiert („The Dark Side“), oft aber nur eine versuchte Erweiterung des Spektrums. Ganz direkt ausgedrückt: Muse wissen auf „Simulation Theory“ nicht, wie sie den ehemaligen Wagemut mit den zuckersüssen Zutaten ihrer letzten Welthits kombinieren können. Lieder wie „Pressure“ oder „Break It To Me“ sind belangslos, ja gar nervend. Da konnten auch Produzenten wie Timbaland oder Rich Costey nicht viel ausrichten, das Werk verliert sich zwischen einer kruden Simulationsfantasie und Sicherheitsfaktoren. Schade um die neue Richtung, doch bei diesem Giganten ist die Luft raus.