24. und 25. August 2018
Rümlang – Zürich
Webseite: Zürich Openair
Bilder vom:
Freitag 24. August 2018
Samstag 25. August 2018
Zwei Abende am Zürich Openair 2018 sind bereits um. Halbzeit also. Und die erste Hälfte hatte es in sich. Die Auftritte von The War On Drugs und King Gizzard & The Lizard Wizard werden wohl noch lange in guter Erinnerung bleiben. Aber in Erinnerungen schwelgen kann ich auch noch später, jetzt gilt es erst einmal, noch ein paar neue Erinnerungen mehr zu machen!
FREITAG
Als ich mich wieder auf den Weg zum Festivalgelände mache, ist etwas anders als an den letzten beiden Tagen: Es ist nicht mehr so heiss! Die Temperaturen liegen jetzt bei angenehmen 20 Grad. Dazu geht etwas Wind und der Himmel ist ein Mix aus Sonne und Wolken. Regnen tut es aber nicht. Sehr angenehme Festivalbedingungen, wie ich finde. Nicht vom Wetter profitieren derweil Len Sander, die als erster Act auf der Mainstage auffahren. Denn ihren verträumten Space Pop schauen sich insgesamt etwa zehn Menschen an. Offenbar hats früher noch niemand nach Rümlang geschafft.
Etwas mehr Leute hats dann bei SG Lewis im Zelt. Das britische Soul-Wunderkind und seine Band finden Anklang, und so werden auch bereits erste Tanzbeine geschwungen. Wenn denn getanzt werden kann, denn SG Lewis ist meist ruhig und melancholisch und setzt auf grosse Stimmen und grosse Melodien. Das Ganze erinnert mich nicht nur einmal an Disclosure. Das heisst meistens nur Gutes.
Auch wenn das Wetter an diesem Abend eher etwas herbstig ist, auf der Mainstage wird nach SG Lewis nochmals der Sommer zelebriert. Die Berner Überflieger Lo & Leduc trumpfen mit ihren Hits auf, welche nach Caliente in Berndeutsch klingen. Highlight des Sets ist Lo’s Freestyle, in welchem er wortakrobatisch geschickt drei Wörter aus dem Publikum verbaut. Zum Schluss gibt’s dann natürlich auch noch den Schweizer Sommerhit schlechthin. „079“ wird dann auch von allen Anwesenden inbrünstig mitgeträllert. Wir haben ihn ja schliesslich alle zur Genüge gehört in den letzten Monaten.
Die Pause nach Lo & Leduc nutze ich, um mich an einem der Foodstände zu stärken. Das Essen am Zürich Openair ist echt grossartig! Über die Preise müssen wir hier in der Schweiz derweil nicht reden …
Danach gehts wieder zurück zur Mainstage, denn es ist Zeit für den Rock-Rüpel schlechthin: Ex-Oasis-Mitglied Liam Gallagher ist nun an der Reihe und knallt dem Festivalpublikum seinen straighten, schnörkellosen Rock’n’Roll vor den Latz. Hier rege ich mich zum ersten Mal über das Zürcher Festivalpublikum auf. Als ich Liam Gallagher vor einem Jahr am Leeds Festival gesehen habe, sind die Englischen Fans ausgerastet und es gab kein Halten mehr. Liam Gallagher wurde auf der Insel gefeiert wie ein Halbgott. Am Zürich Openair sieht das ganze dann ein bisschen anders aus. Die riesigen Beifallssalven bleiben aus, im Gegenteil, Liam Gallagher muss dafür kämpfen, überhaupt etwas mehr als Anstandsapplaus zu ergattern. Das Ganze scheint ihn dann auch etwas anzupissen. So lässt er sich auch mal zu einem „F*** you“ in Richtung Publikum hinreissen. Man muss sich das Mal auf der Zunge zergehen lassen: Da spielt ein Teil von Oasis auf der Mainstage und seine Show ist wirklich alles andere als schlecht, und das Publikum dankt es ihm mit lausigem Anstandsapplaus. Pfui! Beim abschliessenden „Wonderwall“ singen dann aber trotzdem alle inbrünstig mit und Liam Gallagher spricht aus, was ich denke: „Geht doch!“.
Von Briten kommen wir schliesslich zu Franzosen. Die Headliner vom diesjährigen ZOA-Freitag heissen nämlich Justice. Das französische Electro-House-Duo holt alles aus seinen Synthesizern raus, was es kann. Die Musik an sich ist schon unglaublich wuchtig und geht augenblicklich in die Beine. Was aber noch viel mehr beeindruckt, ist die Lichtshow, die da aufgefahren wird. Next Level! Ich bin, Achtung Wortspiel: einfach nur geflasht. Und ich bin offenbar nicht der einzige, um mich rum wird frenetisch getanzt. Die Stimmung ist super und so auch die Performance. Zum Schluss des Sets kommen die beiden dann noch runter, verteilen High Fives ans Publikum und Xavier de Rossnay lässt es sich nicht nehmen, kurz in der Menge zu baden. So headlinet man ein Festival!
Samstag
Leider schaff ich’s am Samstag erst auf den Auftritt von Alt-J aufs Festivalgelände. Was mich dabei etwas ärgert ist, dass ich Bonaparte verpasse, denn mir wird danach erzählt, dass die einmal mehr eine Wahnsinnsshow abgeliefert haben. Mist. Aber was soll man machen. Alt-J sind dann aber definitiv auch nicht von schlechten Eltern. Auch sie haben eine sehr schöne Lichtshow am Start, welche die Musik der Band perfekt unterstreicht. Aber die Musik ist es, die wirklich heraussticht. Experimentelle elektronische Klanglandschaften treffen auf gefühlvollen Folk. Sänger Joe Newmans Stimme setzt dem Ganzen die Krone auf. Toller Auftritt.
Auch immer für einen tollen Auftritt gut sind die Editors. So auch am Zürich Openair. Die Band hat einen unglaublichen Spass. So tanzt Sänger Tom Smith während des ganzen Konzerts über die Bühne, geht mit seinen Bandkollegen auf Tuchfühlung und grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd. Die Setlist ist gespickt mit Hits wie „An End Has A Start“, „Munich“ und „Papillon“, aber auch neuen Songs wie dem Titeltrack des aktuellen Albums „Violence“. Der Funke kann überspringen, und so ist auch die Stimmung vor der Bühne top. Am Openair St. Gallen dieses Jahr waren die Editors gut, am Zürich Openair sind sie grossartig.
Doch zum Schwärmen ist keine Zeit, direkt nach den Editors geht’s im Zelt nämlich weiter mit Bonobo. Im Vorfeld des Zürich Openairs habe ich mich etwas gefragt, wie der Chillout-Trip-Hop-Sound des Amerikaners wohl auf einer Festivalbühne funktioniert, da ich dessen Musik sonst hauptsächlich in ruhigeren Momenten höre. Die Antwort erhalte ich umgehend: Super gut! Das Zelt ist bis ganz hinten gepackt voll mit Menschen und alle tanzen zu den Klängen, die da auf der Bühne produziert werden. Bonobo hat seine Band dabei und so werden Hits wie „Kiara“ live zum Besten gegeben, was toll funktioniert. Ich bin etwas überrascht, weil ich nicht auf dem Schirm hatte, dass Bonobo mittlerweile so gross geworden ist. Er hätte wohl gut auch auf der Mainstage spielen können.
Auf der besagten Mainstage wird es nach Bonobo so richtig schrill. Die Antwoord aus Südafrika sind jetzt dran. Das ist Trash pur, was ich durchaus positiv meine. Denn wenn man es mit einem Assi-Image und jeder Menge Style schafft, ein Festival zu headlinen, dann hat man definitiv etwas richtig gemacht. Rapper Ninja und Rapperin Yolandi rennen im Assi-Look über die Bühne, rappen ihre nicht immer jugendfreien Texte ins Mikrofon und zelebrieren den Trash. Musikalisch ist das mal trappig, mal dröhnt in bester Scooter-Manier Happy Hardcore aus den Lautsprechern. Für Zürich-Openair-Verhältnisse dreht die Menge mit der Band ordentlich durch. So gönnt sich Ninja auch noch ein Bad in der Menge, zeigt dem Publikum anschliessend seinen blanken Hintern und dann ist der ganze Spass auch schon wieder vorbei.
Und nach ein, zwei weiteren Bieren und etwas herumschlendern ist es auch das diesjährige Zürich Openair für mich. Eines ist aber klar: Ich werde gerne nächstes Jahr wieder kommen. Das Line Up war Spitze, die Dekoration gefiel mir gut und die Stimmung war im allgemeinen bis auf ein paar Ausnahmen mega gemütlich. Ein würdiger Abschluss für den Festivalsommer 2018. Es war mir ein inneres Blumenpflücken und ich freue mich schon jetzt auf alle Festival-Momente, die ich im 2019 erleben werde.
Text: Ivo Arztmann
Bilder: Anna Wirz
FREITAG
SAMSTAG