Band: Petal
Album: Magic Gone
Genre: Indie / Rock / Pop
Label: Run For Cover
VÖ: 15. Juni 2018
Webseite: petalpa.com
Wie ein Blütenblatt – so sieht Sängerin Kiley Lotz ein bisschen aus. Zart und zerbrechlich und dabei sehr schön anzusehen. Der Künstlername ist also schon mal äusserst passend gewählt. Auch musikalisch scheint bei Petal alles zu passen – die doch auf den ersten Blick zart anmutende Stimme beweist, dass sie den Texten auch ordentlich Nachdruck verleihen kann, auch mithilfe des Backgroundgesangs, der sehr abgestimmt und bewusst eingesetzt wird. Die Gitarre schrummt vor sich hin, hin und wieder untermauern ein paar Streicher den schwebenden Gesang der jungen Sängerin. Oder Kiley Lotz singt am Klavier – und Szenen aus einem Liebesfilm, kurz vor Schluss, noch mit der Hoffnung, dass am Ende doch alles wieder gut kommt, und doch eigentlich das Wissen über die Enttäuschung dieser verzweifelten Hoffnung fest vor Augen. Das Songwriting bleibt simpel ohne langweilig zu werden. Während die junge Musikerin live von Bijous wie Ben und Brianna von Tigers Jaw oder Mitgliedern von Captain, We’re Sinking unterstützt wird, so zeigt sie sich auf diesem Album alleine und — seelisch — sehr knapp bekleidet. Dass Petal mehr kann, als einfach nur gut aussehen, wird schon in der Hälfte des ersten Songs des aktuellen Albums „Magic Gone“ unbestreitbar.
Für Petal selbst scheint „Magic Gone“ sowohl Mittel zur Bewältigung wie auch Ergebnis langer Auseinandersetzung mit sich selbst und der wohl schwersten Zeit ihres Lebens zu sein. Das Coming-Out als Queere Person, das Ende einer Beziehung und eine chronische psychische Störung stürzten die junge Sängerin in eine tiefe Krise, die sie zwang, Antworten und Lösungen zu finden auf Fragen und Probleme, die alles, was ihr lieb war, zu zerstören drohten. Sowohl Unsicherheit wie auch Unzufriedenheit mit sich selbst – das schimmert noch immer zwischen Zeilen so voller Ehrlichkeit, dass man sich beinahe ertappt fühlt, wie ein Beobachter vor der gläsernen Wand zwischen den eigenen Gedanken und Gefühlen und den Szenen, die Petal vor dem geistigen Auge ablaufen lässt. Den alltäglichen Abwasch, Kaffeetrinken am Nachmittag, gefährliche Partyspiele, Wohnungen, in denen das Geschirr nicht zusammenpasst. So ehrlich und persönlich die Worte auch durch die Boxen schallen, so lösen sie doch Bruchstücke eigener Gedanken und Erinnerungen aus den festen Mauern und eilig huschen die eigenen tiefsten Emotionen hinaus.
Petal ist eine musikalische Perle, die in den späten Abendstunden nach einem zermürbenden Arbeitstag einer zermürbenden Arbeitswoche in einer Wohnung, die man sich kaum leisten kann, ganz für einen selbst zu funkeln scheint. Die bei zu ehrlichen Gesprächen und zu viel Rotwein vom Flur ins noch beinahe kahle Wohnzimmer dringt und bei der letzten Zigarette auf dem Balkon den bitteren Nachgeschmack verflüchtigen lässt. Während andere Musiker die grosse weite Welt besingen und Lust auf mehr, auf Ferne und veränderte Luft erwecken, so ist „Magic Gone“ Musik für alles Kleine, scheinbar Unscheinbare und Alltägliche, die normalen Dinge des Lebens, die wir nicht als normal akzeptieren können oder wollen.
Doch insbesondere die Songtexte sind es, die Petal zu einer eindeutigen Empfehlung machen für alle, die sich nicht davor fürchten, verlorengeglaubte Erinnerungen und Gefühle alter Tage wiederzufinden. Und mit dem Herbst vor der Gartentür lässt bekanntlich auch die Melancholie nicht mehr lange auf sich warten. Und dann sind Worte, wie Petal sie zu singen weiss, wie ein Coolpack auf der Beule: Der Schmerz geht davon zwar nicht einfach weg, aber er wird erträglicher und verhindert, dass die Verletzung anschwillt und sich dadurch mehr Raum verschafft.
Tracklist:
1. Better Than You
2. Tight Rope
3. I’m Sorry
4. Comfort
5. Shy
6. Magic Gone
7. Shine
8. Carve
9. Something From Me
10. Stardust
Bandmitglieder:
Kiley Lotz – Gesang, Gitarre und Klavier
Text: Sarah Rutschmann