9. Juni 2018
Landesmuseum – Zürich
Band: Kraftwerk
Es war im März 1977, zu einer Zeit, in der die deutschen Elektronik-Pioniere Kraftwerk bereits weitum bekannt waren und mit jedem neuen Album grosse Erfolge feiern konnten. So wurde auch das siebte Werk, welches vor allem unter der Feder von Ralph Hütter entstanden ist, zu einem grossen Hit bei Kritikern und Käufern. Mit dem Thema Reisen und natürlich dem titelgebenden „Trans Europa Express“, welcher bis 1987 durch Europa flitzte, suchte die Gruppe wieder Bilder und Klänge zwischen technischen Errungenschaften und menschlichen Abstraktionen. Und nun endlich durfte man das Album in ursprünglicher Reihenfolge live erleben, inmitten der Schlossromantik des Landesmuseums.
Besser hätten die „Unique Moments“ in Zürich nicht abgeschlossen werden können: Ausverkaufte Ränge, wunderbares Wetter und eine Band, die man eigentlich niemandem mehr erklären müssen sollte. Mit Kraftwerk besuchte nicht nur eine Legende erneut die Schweiz, sondern sorgte auch dafür, dass sich am Samstagabend auf der Bühne zwischen Cortenstahl und grosser Leinwand die digitalen Klänge einen Teil des Raumes zurückeroberten. Vorbei waren die Stunden voller Instrumente und ausdrucksreichen Gesänge – jetzt wurde alles von den monoton dargebotenen Botschaften und den berechneten Synthies bestimmt.
Was natürlich zu lauten Begeisterungsrufen der Besucher führte, denn die vier Herren spielten geschickt mit ihrer Diskografie und liessen zu Beginn ein wahres Feuerwerk an bekannten Melodien und Kling-Klängen vom Stapel. „Computerwelt“, „Die Mensch-Maschine“ oder „Spacelab“ – mithilfe von druckvollen Bässen und einem phänomenal klaren Sound reiste man von Album zu Album, von Erinnerung zu Bewegung. Untermalt durch die stilistisch perfekt angepassten Visuals wurde das Konzert noch plastischer. Kraftwerk verwendeten nämlich auch in Zürich ihre 3D-Projektionen und zeigten somit eine ungeahnte Tiefe in ihrer Musik.
UFOs schwebten über der Stadt, Schriften rasten auf die Anwesenden zu, „Das Model“ tanzte in greifbarer Nähe. Und dann natürlich der „Trans Europa Express“, edel in schwarz-weiss, zwischen metallischen Schlägen und Schaufensterpuppen – ein Erlebnis, das gerne „Endlos Endlos“ hätte weitergehen können. Sicherlich haben Kraftwerk mehr beeindruckende Alben als dieses geschaffen, trotzdem war es eine Fahrt ohne Füller inmitten von Klassikern. Und je dunkler die Umgebung wurde, desto wuchtiger das Feuerwerk auf der Bühne. Denn nun tauchte die Band alle in „Radioaktivität“, führte an die „Tour de France“ und über die „Autobahn“.
Spätesten als bei der ersten Zugabe dann wirklich die Roboter ihr eigenes Lied darboten war klar, dass es auch im digital verwilderten Jahr 2018 keine Rolle spielt, was die vier Musiker von Kraftwerk auf der Bühne eigentlich genau machen. Denn ihr Spiel zwischen technischen Forschungen, musikalischen Fragestellungen und sprachlichen Mahnungen funktionierte auch im Landesmuseum wieder perfekt. Schon immer standen die Künstler für Fortschritt, schon immer wagten sie sich auch in die dunklen Gefilde – ohne jemals zu vergessen, dass wir auf dem „Planet der Visionen“ leben.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Nummern / Computerwelt
2. It’s More Fun to Compute / Heimcomputer
3. Computer Liebe
4. Die Mensch-Maschine
5. Spacelab
6. Das Modell
7. Trans Europa Express / Metall auf Metall / Abzug
8. Franz Schubert / Endlos Endlos / Europa Endlos
9. Spiegelsaal
10. Schaufensterpuppen
11. Autobahn
12. Geigerzähler / Radioaktivität
13. Tour De France / Prologue / Etape 1 / Chrono / Etape 2
Zugabe
14. Die Roboter
15. Planet der Visionen
16. Boing Boom Tschak / Techno Pop / Musique Non Stop
Text: Michael Bohli