1. Oktober 2016
Grabenhalle – St.Gallen
Bands: Pye Corner Audio / Blanck Mass / Group A / Ventil
Über Umwege zum Ziel: Eigentlich kein Problem, da man das Resultat für sich sprechen lässt. So ist bei mir ein Kurztrip nach München Schuld, dass ich an diesem Samstag in St. Gallen die Grabenhalle und das A-Synth Fest besucht habe.
Denn endlich bot sich die Gelegenheit, den Künstler Blanck Mass in der Schweiz zu bestaunen. In Deutschland verzauberte er mich mit seinen Ambient-Welten, in der Ostschweiz drückte er die Gehirnmasse mit seinem harten Techno aus dem Kopf. Dies leider vor einem fast leeren Raum – aber als weiterer Glanzpunkt eines höchst interessanten Abends voller Exkursionen in die Scheibenwelten der elektronischen Musik.
Das jährlich stattfindende, 2-tägige Fest widmet sich einer bunten Mischung aus kuriosen und abgedrifteten Gewächsen der digitalen und analogen Synth-Musik. Am zweiten Abend in der Halle für non-profitable Kunst kam man somit in den Genuss einer Fragerunde mit Bruno von Mittageisen (Schweizer Dark Wave-Pioniere), diversen DJ-Auftritten und Livekonzerten, die sich wohl bei nicht wenigen für immer in der Erinnerung fest gebrannt haben.
Die Musik war nie einfach, der Anspruch teilweise sehr hoch, aber genau dies machte aus den Stunden eine lohnenswerte Erfahrung. Denn wer liess sich zuletzt die Hirnrinde von zwei japanischen Frauen an Knöpfchen und Geigenbogen verschieben? Mit einer industriellen Mischung aus elektronischem Noise und grummelnden Beats bestätigte Group A das Klischee der verrückten Asiaten.
Da waren Ventil aus Österreich fast geradlinig – ihre Musik liess sich aber während vielen Minuten zu hypnotischen Steigerungen aus vielfältigen Schlagzeugmustern, Gitarrenschreien und Keyboardspritzern heranwachsen. Das war Musik der grossen Schule, untermalt mit stilvollen Visuals. Wer sich zuvor beim DJ-Set von Ghost Box noch etwas Sorgen um die Dramatik der Klänge gemacht hatte, fand hier eine wahrlich geniale Erleichterung. Pulsierend bot die Gruppe eine Spannung wie im Krimi. Benjamin John Power alias die eine Hälfte von Fuck Buttons alias Blanck Mass spielte viel eher mit der Kreissäge. Er ebnete mit seinen Tracks zwischen Techno aus den Stahlöfen und Ambient der Wasserplaneten für Pye Corner Audio den Weg. Geschickt mixte er seine beiden Alben zu einem Set voller atmosphärischer Höhepunkte.
Klar war man danach etwas erschlagen, doch bot der letzte Act mit seinen cineastischen Techno- und House-Schichten für Entspannung auf tanzbare Weise. Nur leider passierte als dies vor viel zu wenigen Leuten, und in den späten Stunden war die Grabenhalle schier leer.
Ein Missstand, den man sich nach diesen Erlebnissen nicht wirklich erklären kann. Denn das A-Synth Fest war 2016 eine fulminante Feier der andersartigen Kunst in der Musik – ein Denkmal für den Untergrund und die offenen Geister. Nächstes Jahr kommt ihr einfach alle mit.
Text: Michael Bohli