baloisesession.ch
St. Vincent + Gary Clark Jr.
Event Halle – Basel
Donnerstag, 24. Oktober 2024
Text: Torsten Sarfert / Bilder: Anna Wirz
Am Donnerstagabend gaben sich an der diesjährigen Baloise Session gleich zwei Clarks die Ehre. Zum einen Bluesman Gary Clark Jr. und zum anderen Annie Clark, besser bekannt als die avantgardistische Kunstfigur St. Vincent. Beide sind mehrfach Grammy-augezeichnet, stammen aus den amerikanischen Südstaaten, sind des Gitarrespiels mächtig und fanden sich vereint unter dem Motto des Abends: „Burning Guitars“. Soviel zu den Gemeinsamkeiten.
Den Vortritt hatte der texanische Neo-Bluesman Gary Clark Jr., der mitsamt seiner sechsköpfigen Band an diesem Abend das gesamte Spektrum afro-amerikanischer Musik in nur neun Songs zu einem höchst homogenen Musikerlebnis verschmelzen liess. Dieses begann mit einer beeindruckenden Mali-Blues Version von „Maktub“ aus dem jüngsten Album „JPEG RAW“ und zeigte, wie dynamisch und spannend kontemporärer Blues klingen kann – und sollte. Clarks Songs sind emotionale und poetische Erzählungen über das Leben in einer Welt, in die man hineingeboren wurde und mit der man nun – ob man will oder nicht – klarkommen muss. Seit jeher Thema des klassischen Blues. Wie aber Clark unter Zuhilfenahme von Stilmitteln des Jazz, Reggae, Gospel, R&B und sogar Hip-Hop seine ganz eigene und relevante Definition kreiert, ist einzigartig und tief berührend. Musikalisches „Healing“, wie er im gleichnamigen Song beschreibt. Die Chemie mit seiner Band war makellos und Clark ein überaus charmanter und charismatischer Frontmann, der es mühelos schaffte, das Basler Publikum in den „nice suits“ (Zitat Clark) um die flinken Finger zu wickeln. Eine Sternstunde des modernen Blues in Basel, die wohl so schnell nicht getoppt werden wird.
Ebenfalls schwer zu übertreffen wird der Auftritt der zweiten Clark, alias St. Vincent, gewesen sein. Hier stand jedoch – maximal gegensätzlich zur vorherigen, versöhnlichen Heilung des Namensvetters – eher wütend punkige Katharsis auf dem tosenden Programm. Eingebettet in ein für das Format ungewohnt technoid, subbasslastiges Soundgewand, mussten Teile des Publikums zunächst hektisch ihre Ohrstöpsel nachjustieren und die Champagnerflöten in die Tischmitte rücken. Konzeptkünstlerin St. Vincent entfachte vom ersten Moment ihres Auftritts einen musikalischen Orkan, der im nächsten Augenblick von einer zerbrechlich-engelsgleichen Ballade ab- und aufgelöst werden konnte. Songs wie „Violent Times“, „Pay Your Way In Pain“, „Broken Man“, „Hell Is Near“ oder das Tour-titelgebende „All Born Screaming“, liessen tief in die Seele der introspektiven und polarisierenden Künstlerin blicken und brachten etwas Post-Punk auf die meist stromlinienförmige Bühne der Baloise Session. Inklusive einer alle Geschlechterrollen auf den Kopf stellenden Choreographie, grossen Gesten sowie teils verstörend dissonanten Melodien und skurrilen Instrumenten. Vergleiche mit David Bowie (an den Drums übrigens Mark Guiliana, der u.a. auf Bowies letztem Album „Blackstar“ trommelte) oder Björk in der Radikalität ihrer Performances und Figuren drängten sich auf und dabei einzelne Zuschauende zum vorzeitigen Verlassen der Event-Halle und andere wiederum zu frenetischem Applaus. Grosses Avantgarde-Kino, das im Kopf bleibt. Alles richtig gemacht, St. Vincent.
Baloise Session 2024 – Robert Plant und Marty Stuart