Eigenveröffentlichung / VÖ: 10. Mai 2024 / Indie-Pop
ginnyloon.com
Text: David Spring
Im Leben kommt es erstens immer anders, und zweitens, als man denkt. Die talentierte Künstlerin Ginny Loon aus Winterthur hatte 2023 fest im Blick als das beste Jahr ihrer Karriere. Auftritte am Gurten und St. Gallen, den Winterthurer Musikfestwochen und sogar eine Auszeichnung als «SRF3 Best Talent» – und dann die Diagnose: Krebs! Damit stand auf einmal alles auf der Kippe, denn trotz erfolgreicher Behandlung war nicht klar, ob die Stimme zurückkehren würde. Doch zum Glück verlief alles gut und so steht uns nun die wundervolle EP «Getting There» bevor.
Ginny Loon einfach nur als Pop-Sängerin abzutun, würde der Qualität ihrer Songs nicht gerecht. Natürlich sind es vordergründig poppige Melodien, in welchen die äusserst sympathische Stimme und die akustische Gitarre im Vordergrund stehen. Doch ist es vor allem die beinahe stoisch gutgelaunte Positivität im Angesicht schwieriger Situationen sowie die unglaublich ehrliche und offenherzige Art, auf welche Ginny ihre Geschichte erzählt, die überzeugen. Der titelgebende Opener ist eine frohgemute Nummer mit einer simplen, eingängigen Melodie. Wenn sie die Worte «I had it figured out, my plan was flawless, not a doubt, until the universe said hold my beer […]» mit so viel Herzblut singt, kommt man um ein breites Grinsen nicht herum.
«M23» ist danach etwas melancholischer und erzählt von einer intensiven, jedoch zum Scheitern verurteilten Fernbeziehung. Die offensichtlich von Country beeinflusste Instrumentierung ist so gewitzt und effektiv, dass niemals der Eindruck entsteht, als ob das schon tausendmal im Radio gehört worden wäre. Ginnys Stimme ist zerbrechlich und einfühlsam und der offenherzige Text umarmt dich wie ein:e gute:r Freund:in, wenn es dir mal nicht so gut geht. «Strawberry Week» steht ebenfalls Pate für den sympathischen Humor der Sängerin und ihre entwaffnend ehrliche und offene Art, um mit den kleinen und grossen Schwierigkeiten des Lebens umzugehen. «Wanna hear something scary? There was a spider in the room! And despite thinking the contrary it’s not the worst thing I’ve been through.» Es ist wirklich einfach, sich in die Songs von Ginny zu verlieben.
Mit «Pretty Alright» folgt nicht nur der rockigste Song der EP, sondern vielleicht auch der beste. Die wahrhaft fantastische Selflove-Hymne lässt die Hände in die Luft schnellen und motiviert ungemein, es der Sängerin gleichzutun und sich selbst endlich wieder etwas mehr zu akzeptieren. Mit «Heavy» gibt es schlussendlich das schwerste und melancholischste Stück, denn es ist im Leben nun mal so, dass sich nicht alles immer so einfach weglächeln lässt. Nach diesem Song fühlt man sich, als ob man Ginny Loon schon Ewigkeiten als enge Freundin an der Seite kennt, so ungeschönt ehrlich und offen legt sie uns ihr Innerstes dar. In nur einer Viertelstunde haben wir mit ihr die höchsten Höhen und tiefsten Tiefen durchlebt, gelacht, geweint, geflucht und gejubelt und am Schluss etwas zum Leben dazugelernt. Es ist nicht einfach, ans Ziel zu gelangen, aber «Getting There» war schon lange nicht mehr so schön.