Komplex Klub – Zürich
Samstag, 6. April 2024
Text: David Spring / Bilder: Rey Schulthess
Jauchzet und frohlocket, oh Verehrer:innen aller gotteslästernden, okkulten und anderen heidnischen Freuden, denn es ist Zeit, den Gehörnten hereinzubeten und die alten Götter wieder auferstehen zu lassen. Niemand geringeres als Green Lung nämlich luden vergangenen Samstag ein, um im schnuckligen Komplex Klub in Zürich dem Heavy Metal zu frönen und zusammen in die Abgründe vergessener Kulturen, unheimlicher Fabelwesen und gar düsterer Gestalten einzutauchen.
Die Tour zu ihrem gefeierten neuen Album «This Heathen Land» führt den London-Fünfer zum ersten Mal als Headliner in unsere Gefilde, entsprechend gross waren die Erwartungen im Komplex-Keller. Dieser war von Beginn an schon gut gefüllt mit einer bunten Mischung aus Menschen sämtlicher Generationen, was sehr schön zu sehen war. Doch bevor Green Lung uns mit ihrem unvergleichlichen Doom/Folk-Metal beglückten, wurden erst einmal ein paar Räucherstäbchen angezündet, denn den Auftakt machten Spell aus Vancouver. Einen passenderen Opener hätte man sich kaum vorstellen können. Schon nach wenigen Takten überzeugte der bombastische Doom-Rock der Band und brachte die Haare vor und auf der Bühne zum Wehen. Speziell aufregend waren die filigranen und faszinierenden Solos von Hauptgitarrero Tom Draper, unglaublich, wie der seine Finger über das Griffbrett flitzen lassen konnte. Ebenfalls beeindruckend war Gabriel «Black Magique» an Synths und Gitarre. Androgyn und gender-nonkonform, vor allem aber unglaublich talentiert, wenn es darum ging, den Songs das Nötige an sphärischem und gespenstischem Flair zu verleihen.
Spell verstanden es perfekt, die Balance aus klassichen Hair-Metal-Parts und theatralisch-okkultem Bombast zu halten. «Dawn Wanderer» zum Beispiel begann beinahe balladesk und erzählte die traurige Geschichte eines weinenden Armdrückers, bevor glorreiche Doppelgitarren-Leads und ein an Iron Maiden erinnernder Beat die Fäuste in die Luft schnellen liess. «Cruel Optimism» wiederum war ein erstklassiger Banger und mit dem absolut epischen «Watcher Of The Seas» war der Spass dann nach einer knappen halben Stunde leider schon wieder vorbei. Spell überzeugten auf ganzer Ebene und waren ein wahrhaftig formidabler Opener für den heutigen Abend. Hoffentlich kriegen wir von dieser grossartigen Band bald noch viel mehr zu sehen und zu hören!
Doch dann war es endlich soweit und die fantastischen Green Lung waren an der Reihe. Auf der Bühne wurde eine grosse, angsteinflössende Dorset Ooser-Maske aufgebaut und bald schon erklang das gesprochene Intro von «This Heathen Land», das uns dann in den Opener «The Forest Church» leitete. Die gewaltigen Nackenbrecher-Riffs holten die Leute im Komplex sofort ab, das Haupthaar wurde geschüttelt und die Fäuste flogen in die Luft. Sänger Tom Templar hielt uns mit seiner unvergleichlichen Bühnenpräsenz und seiner einzigartigen Stimme in seinem Bann, von der ersten Strophe an war es bereits ein Vergnügen, seinen Erzählungen von alten Sagen und Bräuchen zu lauschen. Mit «Maxine (Witch Queen)» wurde das Tempo angeschraubt und Green Lung stellten ihr geniales Songwriting unter Beweis. Die beinahe poppige Synth-Melodie, gespielt von John Weight, trieb uns ein Lächeln ins Gesicht, während das rastlose Metal-Brett an Legenden wie Deep Purple und natürlich Black Sabbath erinnerten.
Die Setlist bestand grösstenteils aus Songs der aktuellen Platte, doch mit «Woodland Rites» fand sich darauf auch ein früher Klassiker wieder, sehr zur Freude der Fans der ersten Stunde. Mit dem genialen «Leader Of The Blind» folgte darauf gleich ein «Black Harvest» Hit, in dessen kurzen, aber exzellenten Schlusssolo Gitarrist Scott Black so richtig zum Glänzen kam. Unglaublich, was der beschnurrbarte Typ seinen sechs Saiten alles zu entlocken vermochte. Danach wurde es gespenstisch und bedeutend ruhiger. «Song Of The Stones» ist nämlich mehrheitlich akustisch, wobei der Gesang weitestgehend von betörenden Trommelschlägen (gespielt von Bassist Joseph Ghast und Drummer Matt Wiseman) und sphärischen Keyboard-Klängen in immer epischere Gefilde getragen wird. «Hunters In The Sky» und vor allem das brachiale «One For Sorrow» demonstrierten dann aber wieder, was Green Lung am besten können: heftig und unentwegt abrocken, dass es eine helle Freude ist.
Alle guten Dinge müssen irgendwann zu Ende gehen. «Old Gods» ist vielleicht das Green Lung-typischste Lied überhaupt, doch den Abschluss machte natürlich der epische Album-Closer «Oceans Of Time». Als Zugaben hatten sich die fünf Briten ihre bis dato wohl grössten Hits aufbewahrt, darf doch das wundervoll teuflische «Let The Devil In» an keinem ihrer Konzerte fehlen. Was für eine Freude, entsprechend am kochen war die Stimmung im kleinen Komplex mittlerweile. Den ultimativen Übersong gab es schlussendlich noch mit «Graveyard Sun», der uns kollektiv ein letztes Mal völlig fertigmachte. Was für ein fantastisches Stück Musik und was für eine unglaubliche Band. Sie überzeugten auf ganzer Linie und bewiesen eindrücklich, dass sie zweifellos zum derzeit Besten der britischen Heavy Metal Szene gehören. In solch kleinem Rahmen werden wir die Band wohl so schnell nicht mehr zu Gesicht kriegen, darum war es eine besondere Freude, dabei gewesen zu sein. Es gibt schliesslich nichts Schöneres, als mit einer solch faszinierenden Band und zu gutem, lautem Metal all diese faszinierenden Legenden, Mären und Teufelsgeschichten zelebrieren zu können. Die Old Gods werden wahrlich niemals sterben.
Setlist Green Lung [Quelle: Setlist.fm]
- Prologue
- The Forest Church
- Maxine (Witch Queen)
- Woodland Rites
- Mountain Throne
- Leaders of the Blind
- Song of the Stones
- Hunters in the Sky
- One for Sorrow
- The Ritual Tree
- Reaper’s Scythe
- Old Gods
- Oceans of Time
Zugaben
- Let the Devil In
- Graveyard Sun