Eigenveröffentlichung / VÖ: 13. Dezember 2023 / Hip-Hop, Electro
m-s-g.love
Text: David Spring
Man kann im Leben nichts erreichen, wenn man sich nichts getraut. Darum scheisst man manchmal am besten auf sämtliche Warnungen und gutgemeinten Ratschläge und tut, was sich richtig anfühlt. Und wenn dann dabei ein Mundart-Rap-Album mit Blockflöte und Texten, die die Kunstform des Dadaismus neu definieren entsteht, na dann ist es halt so. Vorhang auf für M$G!
M$G, das sind Jodok Achermann und Ramon Juchli aus Luzern und Basel, eigentlich aber in der Weltstadt Willisau daheim. Irgendwann haben die beiden angefangen, sich auf ihren Notiz-Apps Texte zusammenzubasteln. Dann wurden ein paar Beats programmiert, man wetzte die Blockflöte (Anmerkung: deren häufiger und sehr eigenwilliger Einsatz auf dieser Platte hätte wohl eine Content Warnung verdient) und begann frisch-fröhlich drauflos zu rappen. Das Resultat nennt sich «Massage» und kann getrost als grenzwertigen, ja rücksichtslosen Anschlag auf die Gehörgänge bezeichnet werden. Harter Tobak wäre ein Understatement.
Doch sachte, liebe Lesende. Denn nur weil’s komisch klingt, heisst das noch lange nicht, dass die Musik von M$G nicht trotzdem hörenswert wäre. Die wahre Qualität offenbart sich, wie so oft, in den Texten. Natürlich sind auch diese vordergründig eher bizarr, doch immer wieder blitzen hervorragende Textzeilen durch. Beispiele gefällig? «Pflanze bruchet Wasser, Pflanze bruchet Liecht, dr Ueli Maurer isch sone dumme huere Siech» aus dem historisch perfekt korrekten «Factz». Oder wie wäre es mit «e Maa isch es Tier, doch ech bi handzahm und noch am Wasser bout wiene Strandbar.» aus «Boys“R“Us», der glorreichen Hymne zum Thema (toxische) Männlichkeit? Und dann gibt’s auch noch die absolute Hit-Single «Kuschle». Diese harte Dance-Nummer geht nicht nur unglaublich ab, die Zeilen «ech hasse nid dr Mäntig, hasse nur das Scheisssystem. […] Tüüf i mir inne wetti nur jede Tag kuschle gäge’s Kapital.» sind schlicht perfekt. Seit Kubas «Lädersofa» hat diese sehr eigenwillige, elektronische Nische der heimischen Musikwelt wohl kaum mehr etwas von solcher Qualität hervorgebracht.
Was das abgedrehte Duo hier produziert, ist unvergleichlich und schafft es irgendwie, die prekäre Balance aus beinahe unhörbarem Quatsch und erstaunlich tanzbarer Genialität stets zu halten. M$G werfen trotz Kifferklamauk immer wieder wichtige Fragen auf, bieten überraschend tiefgründige Sozial- sowie sehr amüsante Selbstkritik und nehmen weder sich selbst noch die Welt je allzu ernst. Natürlich ist das Endresultat nicht für alle, alleine schon dank der lieblichen Blockflöte. Doch am Ende des Tages kann man vor so viel Eigenwillen, Kreativität und Scheiss-drauf-Vibes nur ehrfürchtig den Hut ziehen. Wahnsinn und Genie liegen bekanntlich nah beieinander, M$G sind mit diesem Album der beste Beweis dafür.