Grand Hotel van Cleef / VÖ: 17. November 2023 / Punk
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Text: David Spring
Gibt es etwas Besseres als einen wütend schreienden Felix Schönfuss? Wie wär’s mit einem Felix Schönfuss, der während der Pandemie mal eben kurz per YouTube Klavierspielen gelernt hat und nun mit Adam Angst ein neues Album am Start hat? Auf «Twist» bekommt man beides, zeigt sich die Punkband hier doch so bissig, eingängig, durchgedreht und genial wie nie zuvor.
Adam Angst machten immer schon ihr eigenes Ding und versuchten trotz massig Hitpotential nie allen zu gefallen. Auf «Twist» scheren sie sich überhaupt nicht mehr darum, was jemand von ihnen halten möchte. Anders lässt sich kaum erklären, dass die neue Platte mit einer Piano-Ballade beginnt. «Die Lösung für deine Probleme» ist dabei so unverschämt gut und mit dem wortgewaltigen Anti-AFD-Text gleichzeitig extrem relevant und schmerzhaft, dass man sich sofort zu Hause fühlt. «Unangenehm» danach ist genau das, denn der absichtlich ekelhafte Deutschrock-Text, die versoffenen Stimmen und der stumpfe Beat machen den Song zu einem Schweinerocker der untersten Schublade. Da kann man nur hochachtungsvoll den Kopf schütteln – Adam Angst, wie sie leiben und leben.
Was danach folgt ist ein fantastisches Album einer Band, die unfassbaren Spass am Musizieren hat, dabei aber auch wahnsinnig angepisst und angewidert von unserer Gesellschaft ist. Die vorzügliche Entfremdungs-Hymne «Unter meinem Fenster» ist der wohl tanzbarste Track, mit munterem Disco-Beat und enormem Mitsingfaktor. Daneben steht das an Billy Talent erinnernde Beinahe-Metal-Brett «Angst» oder das rasante, sehr witzige «Eau de Toilette», das nach anfänglichem Punk’n’roll auf einmal in ultrabrutalen Metalcore ausbricht. Wenn das mal kein Twist ist… (ba-tum tiss). Aber ehrlich: Adam Angst waren noch nie so kreativ und abwechslungsreich, so ungehalten und schlicht grossartig wie hier.
Und natürlich liefern Adam Angst auch textlich auf allerhöchstem Niveau ab. Mit unglaublich detailverliebter Beobachtungsgabe, einer entwaffnenden Portion Selbstkritik und unverkennbar genialem Wortwitz singt, keift, schreit und schmachtet sich der sympathische Herr Schönfuss durch Themen, die so vielfältig sind, wie die Musik: frohgemute Mordfantasien, toxische Maskulinität, ungesundes Zusammensein, immerwährender Rechtspopulismus oder digitaler Selbstoptimierungswahn, um nur einige zu nennen. Dabei machen sie es weder sich selbst noch den Zuhörenden einfach, denn nicht selten bleibt einem das Lachen ob der besungenen, traurigen Realitäten im Hals stecken.
Man könnte noch vieles zu den Songs auf «Twist» schreiben. Die Platte braucht etwas länger als der geniale Vorgänger «Neintology», um sich vollends zu entfalten. Schon nach wenigen Durchgängen jedoch mausert sich das Album zum Besten, was die Band je geschaffen hat. Adam Angst liefern stärker und besser ab als je zuvor und nach dieser Platte wird es zunehmend schwerer ihnen noch das Wasser reichen zu können.