Taxi Gauche / VÖ: 12. Mai 2023 / Singer-Songwriter, Shoegaze
chloegallardo.com
Text: Michael Messerli
Chloe Gallardo bittet um den letzten Tanz. Wenn man sich darauf einlässt, flüstert sie einem all die schlechten Erfahrungen ins Ohr, die sie mit anderen Menschen gemacht hat. Für jeden Song eine andere Person. Acht Versuche, mit den Dingen abzuschliessen. Als würde sie, wie im Interview mit der SRF-Sendung Sounds! angesprochen, all den fremden Hörer:innen ihr persönliches Tagebuch vorsingen, das sie in ihrem Schlafzimmer aufbewahrt. Da liegt natürlich der Bedroom-Pop nahe, wie ihn Snail Mail, Jay Som oder Soccer Mommy bereits sehr erfolgreich aus dem Haus getragen haben. Man könnte also einwenden, dass das nicht besonders originell ist. Das sahen die Leute vom Zürcher Label Taxi Gauche Records jedoch anders und nahmen die Künstlerin aus Los Angeles kurzerhand unter Vertrag. Und das mit Recht.
«Defamator» ist zwar im musikalischen Sinne tatsächlich kein originelles Debüt, aber ein trauriges sowie textlich teilweise verstörendes («God Is Dead»). Es ist kurz und kommt nur dank zwei Interludes knapp auf Albumlänge. Die Höhepunkte sind «Last Dance» und das vorhin angesprochene, nach einer Mischung aus dissonanter Musikdose und Computerspiel klingende «God Is Dead». Warum «Defamator» als Singer/Songwriter-Album mit Shoegaze-Anleihen trotzdem super funktioniert, hat den einfachen Grund, dass es die Songs selbst sind, welche ihre eigene Stimmung finden. Sie sind schlicht zu gut, um im Schatten von Referenzen zu stehen. Denn poppig ist hier nichts, es ist vielmehr die sanfte Wut, die sich wie ein Schleier über die Soundlandschaften legt und klanglich nur in «New Jersey» eine klare Kontur annimmt. Letztlich spielt auch die Kürze all ihre Stärken aus: Hier ist kein Wort überflüssig, kein Part zu viel und wenn alles gesagt ist, nimmt dieser Tanz sein logisches Ende: Das Licht geht aus.