Corduroy Punk / VÖ: 14. April 2023 / Indie, Singer-Songwriter
josienneclarke.com
Text: David Spring
Einigen wird der Name Josienne Clarke vielleicht bekannt sein. Für den grössten Teil ihrer langjährigen Karriere war sie die Hälfte eines britischen Folk-Duos mit Mainstream-Erfolg. Doch genau dieses einschränkende Korsett, Teil eines Duos mit Plattenverträgen, Verpflichtungen und vor allem grossen Erwartungen von aussen zu sein, wurde der talentierten Künstlerin irgendwann zu viel.
2021 erschien ihr Befreiungsschlag, ihr erstes Solo-Werk «A Small Unknowable Thing», in welchem Josienne sich austoben und ausprobieren konnte. Während diesem kreativen Aufnahmeprozess bemerkte sie, dass sie haufenweise Songs herumliegen hatte, die entweder schon lange in poppige Folk-Stücke transformiert und unter dem Namen des Duos veröffentlicht wurden, oder die noch nie das Licht der Welt erblickt hatten. Aus diesen unterschiedlichen Song-Fragmenten und -Ideen entstand schliesslich «Onliness».
Den Auftakt macht «The Tangled Tree». Ursprünglich ein melancholischer Popsong mit Piano, Chören und allem Drum und Dran, hat Clarke den eingängigen Track nun mit einer kratzigen E-Gitarre von allem Unnötigen befreit. Das Resultat spricht Bände, auch für die restlichen Songs. «Only Me Only» ist verträumt und nachdenklich, mit bekömmlichen Saxophon-Klängen und einer wegweisenden Synth-Melodie. «It Would Not Be A Rose» erinnert sich an Clarkes Folk-Vergangenheit, mit sanfter Stimme und noch sanfterer Gitarre, «Ghost Light» wiederum ist ätherisch, schwebend und gespenstisch – kurz: wunderschöne Singer/Songwriter-Musik, in der man sich verlieren kann.
Das Album ist erstaunlich abwechslungsreich und in sich selbst stimmig. «Anyone But Me» geht als astreiner Indie-Rock durch, rockig und treibend. Auf der anderen Seite zum Beispiel das unscheinbar ruhige aber äusserst intime und ehrliche «Done», welches nur mit einer schönen Piano-Melodie und souligem Gesang auskommt. Einzig die Tatsache, dass die Platte mit 17 Stücken und beinahe einer Stunde Spielzeit etwas zu lange ist, kann vielleicht als Kritik am Rande angemerkt werden.
Josienne Clarke hat genau die richtige Entscheidung getroffen, als sie die Welt des Folk-Pops für die Massen verliess und sich auf ihre eigenen, immensen Stärken konzentrierte. Existierende Songs neu aufzuarbeiten ist nicht immer einfach, doch die Rechnung ging auf. Mehr als schon das Solo-Debüt klingt «Onliness» nach einer kreativen, talentierten Künstlerin, die immer mehr ihre eigenen Flügel zu strecken beginnt und Neues probiert. Wie die von ihr oft besungenen Vögel, Bäume, Seen und Wiesen, zeigt Josienne Clarke, dass Freiheit und Uneingeschränktheit sowohl in der Kreativität wie auch im Leben meistens zu Wundervollem führen.