Michael Bohli – Chefredaktion
Jahresrückblick und Verabschiedung
Intensiv, ein Wort, das sehr gut zu 2022 passt. Leere ebenfalls. Nicht selten war das Jahr und meine Beziehung zur Musik eine Mixtur aus beiden Begriffen, gepaart mit dem emotionalen Ringen im Körper. Ein Zustand, der sich in Wellenbewegungen durch die Monate gezogen hat und im Dezember gar mit einer grossen Veränderung in eine neue Phase tritt.
Doch wie beginnen? Etwa bei der neuentflammten Liebe für die moderne Popmusik? Mit der der Wucht, mit der Sigrid und Dua Lipa in mein Leben getreten sind? Erste mit zwei famosen Auftritten, die mich auf alle erdenklichen Weisen mitgerissen haben – ihr wahnsinnig gutes Album «How To Let Go» darf nicht unerwähnt bleiben. Zweite mit einer langsamen Annäherung an einzelne Singles, dann das Konzert im Hallenstadion. Brimborium auf perfekte Weise, Tanzparty und nachhaltige Wirkungen.
Allgemein: 2022 war das Jahr, in dem ich mich wieder an Grossveranstaltungen wagte und zuletzt bei Porcupine Tree in der Halle 622 feststellen musste: Ich fühle mich an solchen Orten nicht mehr wohl. Die Menge der Menschen, das Gedränge, die meist suboptimale Klangqualität. Klar, Spass gab es mit Pearl Jam, Pet Shop Boys und den anderen Acts auf jeden Fall. Doch die kleinen Momente in alternativen Clubs haben mehr dazu beigetragen, dass mein nicht mehr vorhandener Antrieb an Konzerte zu gehen, doch auflebte.
Weiterhin aber fühlt es sich merkwürdig an, in Räumen und Hallen Livemusik zu geniessen. Die Pandemie hat mich verändert, merkwürdig, will unsere Gesellschaft nicht mehr über diese Jahre und Auswirkungen sprechen. Aus den Augen, aus dem Sinn? Das wird sich noch rächen, wie es etwa Marillion bereits auf ihrem neuen und grossartigen Album «An Hour Before It’s Dark» aufgezeigt haben.
Doch Veränderung ist nicht nur schlecht. So hat mir 2022 viele neue Menschen, Songs und Sounds gezeigt, ich bin Ende Jahr sogar ins Streaming-Zeitalter eingestiegen und habe die Leidenschaft für Film und Kino erneut während fast allen Tagen zelebriert. Eventuell war dies auch Grund, wieso ich weniger Zeit mit bereits bekannter und geliebter Musik verbracht habe. Es gab so viel gutes, neues Material in diesen Monaten. Besonders die Schweizer Szene lebte immer wieder auf und brachte Beachtliches hervor.
Was 2023 bringen wird, das steht grösstenteils in den Sternen. Fest steht allerdings, dass ARTNOIR in Zukunft ohne mich weiterarbeiten wird. Nach sieben Jahren (drei davon als Präsidenten und Chefredakteur) habe ich mich dazu entschieden, neue Herausforderungen zu suchen und mein Leben frisch auszurichten. Der Jahreswechsel bringt die Trennung. Der Kultur, der Schweizer Szene und der Leidenschaft am geschriebenen Wort bleibe ich treu, allerdings in neuer Form, an einem neuen Ort. Wir lesen uns im Frühjahr 2023 wieder!
Danke euch allen für die Jahre und Momente. Dafür, dass ihr ARTNOIR zu dem wunderbaren Musikmagazin gemacht habt, das es heute ist. Auf euch!
Adieu und bis bald.
Es bleiben zu erwähnen:
Das beste Konzert 2022 in Lausanne.
Die heimische Musikkraft in voller Stärke in Neuchâtel.
Emilie Zoé, Anna Aaron, Anna Erhard, Delia Meshlir, Stefanie Stauffacher, Sophia Blenda, Maggie Rogers, Pixey.
Analoge Grüsse vom m4music und Skizzen aus dem Oxil.
Mein erster Beitrag bei ARTNOIR, damals im September 2015. Und wenige Tage später gleich den ersten Konzertbericht.
Alle Beiträge von Michael, 2015-2022.
Die Listen 2022
Alben Schweiz
1. Delia Meshlir – Calling The Uknown
2. Emilie Zoé – Hello Future Me
3. Anna Erhard – Campsite
4. Anna Aaron – Gummy
5. Casanora – Electric Water
Alben International
1. Sigrid – How To Let Go
2. Marillion – An Hour Before It Gets Dark
3. Pixey – Dreams, Pains & Paper Planes
4. Maggie Rogers – Surrender
5. Sophie Blenda – Die neue Heiterkeit
Konzerte
1. Sigrid, Les Docks – Lausanne, 31. Mai 2022
2. Dua Lipa, Hallenstadion – Zürich, 20. Mai 2022
3. Hummus Fest, Case à Chocs – Neuchâtel, 1. Oktober 2022
4. lùisa, Papiersaal – Zürich, 11. April 2022
5. Soft Loft, Royal – Baden, 15. April 2022