Sub Rosa / VÖ: 28. Oktober 2022 / Post-Rock, Experimental
oiseaux-tempete.com
Text: Michael Bohli
Die Begeisterung, welche ich 2019 beim Hören von «From Somewhere Invisible» verspürt habe, hält weiterhin an. Das liegt einerseits an der überzeugenden Herangehensweise von Oiseaux-Tempête an Experiment und Musik, anderseits an der neuen Platte «WHAT ON EARTH (Que Diable)». Die Gruppe um Frédéric D. Oberland, Stéphane Pigneul und Mondkopf bringt Post-Rock, Klangversuche und Lärm aufregend und geschickt zusammen, die 70 Minuten neue Musik sind eine Reise voller Abenteuer und Überraschungen.
Bereits beim zweiten Track «Partout Le Feu» wird es düster und kantig, Dark Jazz ist als Einfluss vorhanden, Blasinstrumente und Rock-Besetzung im Kräftemessen. Das schleppende Tempo lässt den Song noch wuchtiger wirken, die kurze Ruhe bei «Terminal Velocity» ist danach von Vorteil. Oiseaux-Tempête agieren selten in gewohnten Mustern, ihre Kompositionen sind nicht vorhersehbar. Klassik, Drone und Sprechgesang gibt es beim Longtrack «The Crying Eye — I Forget», das darauffolgende «A Man Alone In A One Man Poem» ist ein Sturm auf die Sinne. Violine, Weltuntergangsstimmung, verzerrte Sounds: Nicht selten denkt man an Godspeed You! Black Emperor.
Die hypnotische Wirkung einzelner Passagen reiben Oiseaux-Tempête mit dissonanten Kombinationen, mehreren Stimmen und einem grossen Aufgebot an Musiker:innen auf. Analoge Töne treffen auf elektronische Verfremdung, die Emotionen werden mit Stücken wie «Waldgänger» ausgelöst, oft ist Staunen die korrekte Reaktion auf «WHAT ON EARTH (Que Diable)». Alles zusammen ergibt ein Album, das man weniger erklären als teilen kann und seine kulturinteressierten Freund:innen damit konfrontieren möchte.