Four Music / VÖ: 1. Juli 2022 / Pop
jochendistelmeyer.de
Text: Michael Bohli
Suchst du noch Musik, um in den Sonnenuntergang zu reiten? Dass diese 2022 von Jochen Distelmeyer geliefert wird, hätte wohl niemand gedacht. Der ehemalige Frontmann von Blumfeld ist mit «Gefühlte Wahrheiten» zurückgekehrt, um seine Popmusik mit Country, Blues und Soul zu ergänzen. Und während drei Liedern wird sogar zur englischen Sprache gewechselt. Das ist eine Premiere für den Musiker, ausgenommen seine Cover-Darbietungen, welche vor einigen Jahren auch in Zürich zu geniessen waren (man lese hier).
Was geblieben ist: Hier wird von der Liebe gesungen, von den emotionalen Momente im Leben und der Sehnsucht. Das Verlorensein ist greifbar, das Herz pocht zu den Melodien und Gitarren. Jochen Distelmeyer ist Erzähler und Geniesser in einem, er lässt das Leben zur poetischen Popmusik werden («Zurück zu mir»). Ohne den Weltuntergang zu provozieren, durchschlägt die Platte die einengende Glocke über unseren Ländereien und versucht die Harmonie wiederherzustellen. Anschmiegend das längere «Nur der Mond», wie ein gefühlvolles Epos «Nicht einsam genug». Gedanken scheinen sich zu manifestieren, die Schönheit wird plastisch.
Leider wollen die erwähnten Stücke mit englischen Texten nicht mit dieser Intensität mithalten. Was Jochen Distelmeyer sonst grossartig kann, fällt bei «Roads of regret» beispielsweise weg. Die Komposition wirkt simpel, die Wortwahl beliebig. «Gefühlte Wahrheiten» hat während seiner Spieldauer von knapp 70 Minuten aber mehr als genügend Argumente zu bieten, die den Genuss rechtfertigen. «Komm (So nah wie du kannst)» ist eine Aufforderung, der man folgen sollte.