Band: Jef Maarawi
Album: Terra Papagalli
Genre: Indie-Folk / Pop / Singer-Songwriter
Label: Inner Ear Records
VÖ: 15. Mai 2021
Webseite: Facebook
Was passiert, wenn ein syrisch-stämmiger Musiker in Griechenland ein englischsprachiges Protestalbum über die brasilianische Seele aufnimmt? Eine präzise Antwort auf diese Frage lässt sich nicht erahnen, aber erhören. Und eins ist klar: Farbig muss das Resultat sein.
Das kommuniziert Jef Maarawi im Intro-Song und Titeltrack gleich deutlich. „Terra Papagalli“ ist einer der ersten Namen, den die Kolonialisten Brasilien gaben, und er bedeutet „Land der Papageien“ – Farbenpracht eben.
Aber der Papagei steht auch für Nachahmereien. Das ist ein Merkmal von Maarawis Herangehensweise. Dass der Titeltrack gleich mit einem schiefen dylanesken Grummelblues-Gitarrenpattern à la „Subterranean Homesick Blues“ beginnt, ist als Ansage zu verstehen. Wenn Jef Maarawi dann auch noch, monoton auf der Blue Note surfend, Dylans berühmter Zeile „Thinkin’ about the Government“ nachhängt, treibt er es mit seinen Referenzen gar weit (das offizielle Video zum Song unterstreicht das übrigens noch – siehe unten). Doch das ist bloss eine Momentaufnahme. Denn mit dem Refrain bricht er seinen Dylan-Protest und verfällt in einen an die Beach Boys angelehnten Doo-Wop-Refrain voller Ah- und Uh-Chörlein.
Es sind solche Gegenüberstellungen, die der syrisch-stämmige, in Brasilien aufgewachsene und in Griechenland wohnhafte Sänger und Songwriter verkörpert. Man findet sie auch überall in den Texten. „Hungry This, hungry that, Ipanema, Black Lives Matter, Wagyu Beef, silver-plattered, Havaianas, Coconut Water” – das Schöne und das Hässliche auf kleinstem Raum.
Manchmal kollidieren die Texte in sich, manchmal auch die Musik. Doch Jef Maarawi lässt Musik und Text zuweilen auch direkt aneinandergeraten. Wenn er etwa in „Senna“ einen an José González angelehnten friedlich-tröstenden Indie-Folk-Sound mit Synth-Einschlag in Fluss bringt, und dann eine Frusttirade an jemanden aus seiner Verwandtschaft vom Stapel lässt, die in der Zeile gipfelt „I don’t mind to let you down“. Oder wenn er sein womöglich anti-brasilianischstes Lied „Go Back Home“ („I think I’ll never go back home to this greyscale haven made of flesh and bone, this obscene amount of racist overtones”) provokant mit einem lüpfig-fröhlichen Kid-Creole-And-The-Coconuts-Groove unterlegt.
Inmitten seiner Tiraden, seiner Frustration und seines Protests schleicht sich mit „Consume Me“ aber auch noch ein zutiefst persönliches Lied ein. Es ist die Hymne einer fehlgeleiteten Liebe, deren destruktive Kraft Maarawi zu Beginn noch sanft leidend besingt („Your Bed smells like earth, and your lips smell like suffering.“) Er wundert sich, ob das alles nur in seinem Kopf passiert – und liefert dazu keine verbale Antwort. Vielmehr steigert er sich in eine Art Zorn hinein. „All I’m thinking you thought first“, krächzt er und hängt schreiend an: „Mind your own fucking business. Why don’t you mind you own fucking business!”
Die Untiefen von Maarawis Seelenleben, seine cholerischen Ausbrüche, die Abrechnungen mit Brasiliens Politik und Gesellschaft, sie sind ebenso die Papageienfarben von «Terra Papagalli» wie die wechselhaften Stilmittel in seinen Klangschöpfungen, die praktisch immer von einer positiven Aura getragen sind. Dass lyrische Emotionen und Klangkompositionen oftmals im Gegensatz zueinanderstehen, ist dabei nicht nur Maarawis Narrativ, sondern auch die Konklusion der Betrachtungen „seines“ Brasiliens: ein so farbenfrohes und doch so dunkles Land.
Tracklist:
1. Terra Papagalli
2. Caveboi
3. How To Sustain Minor Losses
4. Senna
5. Consume Me
6. Super Market
7. Tropicaliptico
8. Go Back Home
9. Protector
10. Legendary
11. Fashion and Faith and Fantasy
Bandmitglieder:
Jef Maarawi – Gesang und Gitarre
Nikos Dervisis – Synthesizer
Vassilis Vlahakos – Gitarre
Mampre Kasardijan – Bass
Kostas Zabos – Schlagzeug
Angelos Polychronou – Perkussion
Gründung:
2017
Text: David Kilchör