24. September 2020
KIFF – Aarau
Band: Emilie Zoé & Christian Garcia-Gaucher
War der Donnerstagabend im KIFF eine humorvolle Wendung oder eher die tragische Ironie des Schicksals? Eine Gruppe von Menschen versammelte sich im Konzertsaal um Musiker*innen zu lauschen und einem Film zu betrachten, die sich den absurden Handlungs- und Denkweisen der Spezies Homo Sapiens gewidmet haben. Dabei war die Situation mit Registration, maskenbehängten Gesichtern und Desinfektionsmittel das pure Endresultat der aufgezeigten Muster. Aber, Aufgabe liegt nicht drin. Besonders nicht, wenn Emilie Zoé und Christian Garcia-Gaucher gemeinsam mit Nicolas Pittet das Kulturlokal besucht haben.
Das Trio liess uns nicht nur eine Aussenposition und Beobachterrolle einnehmen, sondern stellte live das Album „Pigeons – Soundtrack for the Birds on the Treetops Watching the Movie of our Lives“ vor. Ein langer Titel, der dazugehörige Spielfilm von Roy Andersson musste sich nicht dahinter verstecken. „A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence“ liess das KIFF über hochstilisierte Szenerien lachen, in pastellfarbenen und trostlosen Aufnahmen, künstlerisch und von der Realität abgerückt. Wären da nicht die messerscharfen Kommentare und Aufnahmen, welche irrationale Absurditäten entlarven, sezieren, hinterfragen.
Als Ersatz-Soundtrack konzipiert, liess die Musik von Emilie Zoé und Christian Garcia-Gaucher den Film plastischer werden, links neben der Leinwand waren Synthesizer, Gitarren, Schlagzeug und Notizen aufgestellt, die Musik breitete sich raumfüllend aus. Mal als melancholische Alternative-Lo-Fi-Songs mit analytischen Texten, dann wieder als reduzierte und instrumentale Stimmungsform. Live offenbarte „The Grand Scheme“ sein Hitpotential, „The Good Life“ erschien noch bitterböser.
Sehr präzise und konzentriert spielte das Trio die Musik live ein und verpasste es nicht, mit den Szenen im Streifen zu interagieren. Eine Türe öffnet sich, das Stück „Interlude 2 – Tap Dance“ brauste auf, ein Plattenspieler wurde abgestellt – „Daddy – Looking For Him“ stoppte abrupt. Und bei «Lotta» war sich sogar froh, verdrängte die Liveband das klangliche Geschehen auf der Leinwand und sorgte so für Abwechslung.
Es war ein Kino-Konzert, das die Liebe zur alternativen Kunst auf allen Ebenen zelebrierte. Der Film offenbarte für mich beim Zweitgenuss noch mehr Humor, Genauigkeit und gerechten Zynismus, die Musik betörte mit gefühlvollen Wechseln und Abfolgen. Emilie Zoé und Christian Garcia-Gaucher sorgten damit für eine erfrischende Neuausrichtung des Kreativschaffens und unserer Wahrnehmung. Egal was noch passieren wird, es freut mich zu hören, dass es euch allen gut geht.
Den Film „A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence“ findet man auf Schweizer Streaming-Websites wie Cinefile oder Filmingo.
Text: Michael Bohli