Band: Yes We Mystic
Album: Ten Seated Figures
Genre: Art-Pop
Label: DevilDuck
VÖ: 19. April 2019
Webseite: yeswemystic.com
Ein cinemastischer Art-Pop Exzess umschreibt das neue Projekt des Kollektivs Yes We Mystic aus Winnipeg wohl am besten. Rund um den umtriebigen Kopf der Truppe Adam Fuhr ist ein Werk gelungen das opulenter kaum sein könnte.
In einer Zeit, in der gar viele wieder Reduzieren und das Wesentliche in den Vordergrund stellen, vollführt das Quintett aus Kanada auf „Ten Seated Figures“ das Gegenteil. Eine muntere Überladung des Erdenklichen. Eine Hysterie aus starken Beats, gefühlvollen Streichern, erquickenden Synthis und schnellen Abfolgen mit echotischen Denkanstössen.
Walzengleich wuchten sich die ausladenden Melodien durch die Synapsen und zertrümmern scheinbar gesellschaftsgegebene Konventionen so, dass dieser überbordende Pomp erstaunlich geerdet wirkt. „Young Evil“ machts gleich zu Beginn vor und bleibt tragend für das ganze Album bis zum Schluss. Anders als im Vorgänger „Forgiver“, auf welchem die Band versuchte, so viele verschiedene Sounds wie möglich so verschieden wie möglich klingen zu lassen, ist „Ten Seated Figuers“ fast schon erschreckend homogen. Es lichtet musikalisch eine Zeit ab in der Schein uns Sein ineinander verschwimmen und nicht mehr klar ist, was Wahr und was Falsch ist. Eine Epoche, in der Individualität mit Identität verwechselt wird. Wo das ewiglich Gleiche noch ähnlicher wird und ein Instaprofil von tausend anderen nicht zu unterscheiden ist.
Yes We Mystic zeigt jedoch musikalisch, dass gleich eben doch sehr unterschiedlich ist. Trotz der starken Homogenität ist der Sound nie eintönig. In jedem Stück versteckt sich eine schleichende, andere Melodie. Einmal stellt „Please Bring Me To Safety“ die Elektronik dezent in den Vordergrund, während „Felsenmeer“ und „Italics“ die dringend benötigten, in Anführungszeichen, ruhigen Inseln in der Überladung bilden. „Win Ben Stein’s Money“ lassen die 80er aufleben, bevor „Panthalassa“ in einer von starken Drums getragenen, epochalen Hymne abschliesst. Mit diesen versteckten O-Tönen und dem gesanglichen Inhalt hält das Album einem konsternierend, einen nicht sehr wohlwollenden Spiegel vor. Zu Recht. Denn laut dem Kollektiv widmet sich das Projekt eben jener Zeit in der wir leben oder bisweilen einer nicht allzu fernen Zukunft. Es handelt vom ständigen Vergessen, Missverständnissen und den kleinen Lügen, die wir uns selbst auftischen, um etwas interessanter zu wirken in dieser digitalen Welt voller Selbstinszenierung.
So ist denn auch gleichzeitig, neben der faszinierenden musikalischen Umsetzung dieser nur noch im Netz funktionierenden Scheinwelt, ein ambitioniertes Kunstprojekt entstanden. Eine weitere Band, genau gleich und dennoch anders, eine alternative Version also von Yes We Mystic. Auch Sie geben Interviews, haben eigene Fotos und performen teils zeitgleich aber deplatziert. Eine Fakeband als Nebenprodukt dieses opulenten, musikalischen Kunstwerks und eine Satire auf das Heute und das wohl noch tragischere Morgen. Eine Welt in der ein orangenes Grossmaul das Netz mit SO SAD Tweets flutet und ganze Regierungserklärungen in 160 Zeichen verpackt. Eine Zeit, in der Politik unbedingt nur als Witz verstanden werden muss und darf. Eine Zeit, in der solche Projekte unabkömmlich sind und ich dankend annehme und genussvoll tweete. Yes We Mystic make Art-Pop great again.
Tracklist:
1. Uniform
2. Young Evil
3. Italics
4. Please Bring Me To Safety
5. Win Ben Stein’s Money
6. Panthalassa
7. Vanitas Waltz
8. Felsenmeer
9. Last Known Sighting
10 Un/form
Bandmitglieder:
Adam Fuhr – Gesang und Gitarre
Keegan Steele – Synthesizer, Mandoline und Gesang
Jodi Plenert – Keyboards, Cello, Bassgitarre und Gesang
Jensen Fridfinnson – Geige, Synthesizer und Gitarre
Jordon Ottenson – Schlagzeug
Text: Sebastian Leiggener