Band: The Wonder Years
Album: Sister Cities
Genre Pop Punk / Alternative
Label: Hopeless
VÖ: 6. April 2018
Webseite: thewonderyearsband.com
Was kommt nach dem Erwachsenwerden, nach Songs über die ersten Touren, über Herzschmerz und Panikattacken? Dieser Frage müssen sich Pop Punk Bands schon seit Jahren stellen. Auch für The Wonder Years ist die Zeit gekommen, in der die fünfköpfige Truppe aus Pennsylvania nicht mehr über das Ausbrechen aus der armen Kleinstadt singen kann, das Thema, das 2007 mit „Get Stoked On It!“ begonnen hat und den roten Faden durch die darauf folgenden Alben gezogen hat. „Sister Cities“ hat scheinbar wenig gemeinsam mit der Musik, die The Wonder Years vor über zehn Jahren im Keller des Schlagzeugers geschrieben haben. Die Musik ist ernster, sehr viel ernster, dynamischer, gebändigter, experimenteller – erwachsener. Sänger Dan Campbell sagte in einem Interview mit „Upset“ genau das, was auch mir durch den Kopf ging, als ich das Album zum ersten Mal von Anfang bis Ende durchhörte: „Dies ist das Album, worauf alles hingezielt hat. Als Fan der Band sollte man sich „Sister Cities“ anhören und denken: Ja klar, natürlich hat es hierzu geführt. Das macht alles Sinn“.
Dan Campbell berichtete bereits bei der Veröffentlichung des 2015 erschienenen Vorgängeralbums „No Closer To Heaven“ von den massiven Problemen, die insbesondere ihm, jedoch auch dem Rest der Band widerfahren sind bei der Arbeit an besagtem Album. Grosse Unsicherheiten und Schreibblockaden haben, so Campbell, dazu geführt, dass ihr Ziel, von jedem Album zum nächsten einen Schritt weiter zu kommen, bei „No Closer To Heaven“ nicht erreicht wurde. Es sei mehr ein Dreiviertelschritt geworden – und „Sister Cities“ ist jetzt der letzte Viertel, um diesen Schritt zu Vervollständigen.
Tatsächlich weisen die Songs auf „Sister Cities“ viel Ähnlichkeit auf mit dem, was auf „No Closer To Heaven“ zu finden ist. Nur wirkt die Band sicherer und entschlossener: Sie haben ihren Weg gefunden und gehen diesen gezielten Schrittes weiter. Aus musikalischer Sicht ist das Album breiter als bisherige Werke: „We Look Like Lightning“ ist geprägt von Orgelklängen, beginnend mit Drumpad und Dan Campbells Stimme. „Flowers Where Your Face Should Be“ baut auf ruhigen, verspielten Gitarrenmelodien auf, begleitet von ruhigem Gesang. Dieser Song erinnert stark an Aaron West and the Roaring Twenties, das Soloprojekt des Sängers, mit welchem er 2014 begonnen hat. „It Must Get Lonely“ beginnt unpassend fröhlich und poppig – unpassend für das Album, nicht für The Wonder Years. Die Band spielt auf „Sister Cities“ mit laut und leise, Wechseln zwischen ruhiger, beinah zittriger Stimme und Geschrei, spannt einen dynamischen Bogen zwischen langsamen, beinahe untanzbaren Rhythmen, wie auf „The Ocean Grew Hands To Hold Me“, und schnellen Beats, zu hören auf Songs wie „Raining In Kyoto“, „Sister Cities“ oder „Heavens Gate (Sad & Sober)“.
„Sister Cities“ ist geprägt von den schier endlosen Touren, dem Unterwegssein, dem Wegsein von den Liebsten und dem, was vertraut und eigen ist. Die Idee für das Album entstand in Santiago de Chile, in den Songs werden Städte und Orte wie Kyoto, Paris, England, New Jersey besungen. Die Lyrics entstanden aus Tagebucheinträgen dieser Tage des Unterwegsseins, was sie so persönlich macht, wie man es von Dan Campbell kennt.
Die Songs auf „Sister Cities“ sind wohl nicht mehr als Pop Punk zu betiteln. Doch die Band hat, wie sie es sich immer zum Ziel genommen hat, ein Album produziert, welches dem Jetzt entspricht – und da auch die sechs Männer aus South Philly nicht jünger werden, ist es ein reifes, reflektiertes und bodenständiges Album voller musikalischer Vielfalt und Tiefgang geworden. Im Gegensatz zu anderen Bands der Pop-Punk-Ära der letzten Jahre haben sich The Wonder Years nicht neu erfunden und wiederholen auch nicht ihre vor zehn Jahren geschriebenen Geschichten über die Flucht aus stinkigen Vororten und der ersten Tour im vollgestopften Kleinbus. Stattdessen besingen sie, wie Blumen und Menschen, irgendwo weit weg, an Menschen Zuhause erinnern, das Gefühl von Leichtigkeit „like I’m everywhere at once“, über das Grau eines Anzugs, der zu viele Beerdigungen gesehen hat. „Sister Cities“ ist ein lyrisches Meisterwerk.
Stimmungstechnisch passt das Album jedoch eher in den Spätsommer oder beginnenden Herbst, mit einziehender Melancholie der kürzer werdenden Tage. Kein Grund, das Album nicht doch von Anfang bis Ende durchzuhören und es sich zur Challenge zu machen, in jedem Song die geografischen Kenndaten herauszuhören.
Tracklist:
1. Raining In Kyoto
2. Pyramids Of Salf
3. It Must Get Lonely
4. Sister Cities
5. Flowers Where Your Face Should Be
6. Heavens Gate (Sad & Sober)
7. We Look Like Lightning
8. The Ghost Of Rightnow
9. When The Blue Finally Came
10. The Orange Grove
11. The Oceans Grew Hands To Hold Me
Bandmitglieder:
Dan „Soupy“ Campbell – Gesang
Mike Kennedy – Schlagzeug
Matt Brasch – Gitarre und Gesang
Nick Steinborn – Gitarre und Gesang
Josh Martin – Bass und Gesang
Casey Cavaliere – Gitarre und Gesang
Gründung:
2005
Text: Sarah Rutschmann