Eigenveröffentlichung / VÖ: 2. Februar 2024 / Progrock, Alternative
vennart.com
Text: Michael Messerli
Alles muss man selber machen. Mike Vennart schreibt zwar keine Indie-Songs, aber mehr Indie geht eigentlich nicht. Denn auch dieses Soloalbum veröffentlicht und vertreibt er selber. Wer Infos haben will, kramt sie aus ein paar Interviews zusammen, allen voran dem mit dem Musikmagazin VISIONS. Hier erfährt man dann wenigstens, dass es eine Notfallveröffentlichung sei. Existenzängste treiben ihn um, Zukunftsängste sowieso und das Geld wird knapp. Weil Vennart mit seiner Musik nicht viel davon verdient. Und apropos umtriebig: Das wäre er ja, als Tourgitarrist von Biffy Clyro, mit deren Frontmann er letztes Jahr ein Album als Empire State Bastard rausgebracht hat. Er ist und war in verschiedenen Projekten oder Bands aktiv. Jetzt hat er vor allem Sorgen. Warum auch nicht? Die Welt werde immer grausamer und die Zukunft sehe düster aus. Zeit, für etwas Weltflucht. Und so zeigt Mike Vennart mit «Forgiveness & the Grain» einmal mehr, wie man sich zielgenau ins Hasenloch fallen lassen kann. Notfallveröffentlichung hin oder her. Illustriert wurde das Werk wieder von seiner Partnerin Jessica Wild in gelungener Tarot-Optik.
Es ist das 10. Album in 20 Jahren, bei dem Vennart mitwirkt. «Chapter X: Whereupon I Immediately Did Nothing». Der Titel des Openers bezieht sich auf den Satiriker Peter Cook und manchmal wird sich auch Vennart in einer Art absurden Realsatire wähnen. Auf «Forgiveness & the Grain» bekommt man aber keinen Klamauk, sondern ein Schweigen anstatt eines Neins. «The Japanese No» ist ein Highlight auf seinem vierten Soloalbum, das wiederum seine Offenheit beweist, auch wenn er verschlossen wirken mag. Das wird gerne verwechselt oder durcheinandergebracht. Vennart bringt höchstens verschiedene Stile durcheinander (auf einer Klaviatur von Alternative bis Progrock). Ansonsten ist der Sound neu oft flächiger, skizzenhafter und hat – wie der zweite Teil des Albumtitels andeutet – eine gewisse Maserung.
Bis man das spürt, braucht es etwas, das man oft in Rezensionen liest und dann doch nicht immer mitbringt: Zeit. An den in allen Belangen herausragenden Vorgänger «In The Dead, Dead Wood» mag «Forgiveness & the Grain» nicht ganz heranreichen und vielleicht auch nicht an die beiden anderen Alben vorher. Aber das ist keine faire Bemerkung, weil hier teilweise ganz anders gezeichnet wird. Das kann man neben der Drone-Soundwand von «Fractal» ganz besonders auch bei «R U The Future??» erkennen, das mit seinem fragmentierten Beat einen weiteren Höhepunkt darstellt, den man auf vielen anderen zeitgenössischen Platten lange suchen gehen kann. Vennart ist auf seiner Seite des Hasenlochs sicher nicht alleine. Aber Vergleiche kommen einem trotzdem keine in den Sinn. Und deshalb macht ihm so schnell auch keiner etwas nach.