Bärmeier und Nikel / ISBN: 978-3-9821705-2-7
Autor: Thomas Pigor / Illustration: Anna Mateur & Burkhard Neie
Text: Cyril Schicker
„La Groete. Sag nicht Kleinkunst!“ erschlägt dich, fordert dich über gut 270 Seiten heraus – und fordert dir dabei alles ab. Stets wechselnde Typografien, irre-kirre Gestaltungsansätze, Alarmfarbiges, eine schiere unerschöpfliche Anzahl an Fussnoten, unheilvolle Gedankenfetzen, Brachial-Wortwahl, thematische Hakenschläge, Pastichen à gogo …
All dies – und noch ganz viel mehr – macht aber verdammt Spass. „La Groete. Sag nicht Kleinkunst!“ ist Roman, Ratgeber, Rätselheft, Kleinkunstbibel, grafische Nouvelle in einem – und unterhält, lehrt, erfrischt, bewegt, erzielt Aha-Effekte, legt deine Stirn in Sorgenfalten und sorgt für furchige Lachfalten.
Darum geht’s: Um das 20. Jahrhundert würdig zu beenden, möchte der Teufel noch einmal einen Pakt alter Schule abschliessen. In dem Chansondichter La Groete findet er den geeigneten Kandidaten und er verspricht ihm im Tausch gegen dessen Seele den Deutschen Kleinkunstpreis. Doch mit der Kulturbeauftragten einer Krankenkasse erwächst dem Teufel eine ebenbürtige Gegenspielerin.
Die „Expedition in das faszinierende Berliner Cabaret der Nachwendezeit“ ist ein wilder Ritt von fiktiv zu real und wieder zurück. Es ist ein sonderbar-bekömmliches Lese(-r)vergnügen. Gespickt mit unzähligen Sahnehäuptern: Akrostichon, Kleinkunst-Geisseln, Silicea-Fotze, Ruchiouk-Hânem, Farbklänge beschreibende Tontechniker-Frequenzen etc. pp.
Sätze wie „Frau Dr. Sparsee kippte über Carlas zarte, aber wachstumsfreudige Pflänzchen Hoffnung einen Kübel klebriger Bedenken.“, „Überall sind sie dabei, die Tatkräftigen lahmzulegen mit ihren Fangnetzen sozialer Verbindlichkeiten, mit ihrer von psychologischer Seidenmalerei durchwirkten egalitären Moral, die in weiten Teilen der kaffeetrinkenden Gesellschaft unwidersprochen zu gelten hat. Sie selbst sind nur Mittelmass. Doch wer es wagt, seinen Kopf aus dem Eintopf zu heben, kriegt eins auf den Deckel.“ lassen des Lesers Herz höher schlagen.
Das gilt auch für das Martin-Heidegger-Zitat: „Das Seiende, dessen Analyse zur Aufgabe steht, sind wir je selbst. Das Sein dieses Seienden ist je meines. Im Sein dieses Seienden verhält sich dieses selbst zu seinem Sein. Als Seiendes dieses Seins ist es seinem eigenen Sein überantwortet. Das Sein ist es, darum es diesem Seienden je selbst geht.“
Ja, du siehst-liest, wenn du am Ende von „La Groete. Sag nicht Kleinkunst!“ angelangt bist, bist du am Ende. Und ganz am anderen Ende bist du dir zudem gar nicht mehr sicher, ob Gnocchi der Kategorie „Nudeln“ zugeordnet werden können oder nicht.
Dieses Buch ist wahrlich keine Schonkost, aber schönste Kost!