Two Gentleman / VÖ: 22. Februar 2019 / Industrial
younggods.com
Text: Michael Bohli
Die Veröffentlichung eines neuen Albums von The Young Gods sollte in der Schweizer Musikszene mindestens ein so grosses Ereignis sein, wie die Rückkehr der Nine Inch Nails oder das Bangen auf die neue Scheibe von Tool. Denn auch über 30 Jahre nach ihrer Gründung stehen die Mannen immer noch für aktuelle, weiterdenkende und druckvolle Musik in der Schnittmenge zwischen Industrial, experimentellem Rock und elektronischer Dynamik. Da macht auch „Data Mirage Tangram“ keine Ausnahme und liefert mit sieben Songs fast eine Stunde neue Musik.
Acht Jahre liegen zwischen dem neuen und letzten Album, eine Zeit, in der The Young Gods aber nicht untätig waren und dank Festivalauftritten immer neue Ideen ersponnen haben. Während drei Jahren ausgeklügelt und verfeinert, sind Tracks wie „Tear Up The Red Sky“ typische Erzeugnisse dieses Trios. Atmosphärisch düster lauernd, wie mit vorgehaltener Waffe, aber trotzdem nie hetzend oder erzwungen. „Data Mirage Tangram“, welches sich dank dem Titel gleich als geometrisches Puzzle vorstellt, geht in diversen Kombinationsmöglichkeiten auf und ist weniger ein Ausbruch an Urgewalt, als überlegte und fundierte Komposition („We Are So Pentagon“).
Bis „Figure sans nom“ ist der Genuss somit ein flächiger und ergiebiger, um dann bei „Moon Above“ in die Avantgarde abzudriften. Zusammen mit „All My Skin Standing“ bilden die Lieder eine perkussive Forschung, welche wie dystopische Working-Gospel in der modernen Fertigungsstrasse wirken. Scharfkantig, kühl und mit einzeln aufblitzenden Momenten der Menschlichkeit. The Young Gods spielen auch 2018 kongenial mit diesen Gegensätzen und haben es dabei nicht nötig, brachial und ohrenbetäubend zu sein. Franz Treichler, Cesare Pizzi und Bernard Trontin haben vielmehr ein weiteres Fundament für ihre epischen Konzerte gelegt und mit „Data Mirage Tangram“ die Legende erneut gewinnbringend ausgebaut.