Band: The Notwist
Album: Vertigo Days
Genre: Indie Rock
Label: Morr Music
VÖ: 29. Januar 2021
Webseite: notwist.com
„Vertigo Days“, das erste Studioalbum von The Notwist nach sieben Jahren, zeigt genau wie sein Vorgänger, dass sich die Band nicht gerne stilistisch einordnen lässt. Die beiden Gründer-Brüder und die anderen Mitgliedern von The Notwist waren in all den Jahren nicht untätig und beschäftigten sich intensiv mit diversen Seitenprojekten. All diese auseinanderdriftenden Pfade kreuzen sich auf „Vertigo Days“ wieder und fügten sich zu etwas Neuem zusammen, an dem auch Cico Beck, Ersatz für Martin Gretschmann, einen riesigen Beitrag hat.
Während im Intro-Song „Al Norte“ das Knistern der Nadel in der Plattenrille unüberhörbar ist, ziehen The Notwist bereits im zweiten Song „Into Love / Stars“ fast alle Register. Von Klavierklängen und feinen, traurigen Synths getragen, von der melancholischen Stimme getröstet, bringen elektronischer Drum-Beat und Bass das Stück in der in der zweiten Hälfte in neue Sphären. Es öffnen sich Türen zu weiteren Ebenen, um zum Schluss geräuschvoll in sich zusammenzufallen. „Exit Strategy To Myself“ ist gleich in den ersten Takten mutiger und es geht mit Stromgitarren an die Sache. Groovig, ein Blick zu früheren Gefilden der Band.
Auf „Vertigo Days“ wirken viele Gastmusiker mit, so ist auf dem, mit krautrockigem Beat unterlegten „Ship“, Saya vom japanischen Pop-Duo Tenniscoats am Start: Ihre elfenartig-hohe Stimme legt einen schwebenden Hauch über den Song. Oder Ben LamMar Gay, der in „Oh Sweet Fire“, einem Kontrabass untermalten Beat mit singenden, elektronischen Klängen die Vocals beisteuert. Auch der Klarinettist Angel Bat David („Into The Ice Age“) und die argentinierin Juana Molina („Al Sur“) sind mit von der Partie. Ein gleichmässiger Bass trägt „Loose Ends“, melodisch-depressive Gitarren lassen den Song aufblühen. Die Platte zeigt nicht nur bei „Ghost“ die jazzigen Einflüsse der Jugend, wie auch den unzähligen Nebenprojekten, in welchen sich die Brüder Acher ausgelebt haben. Es ist nicht der improvisierte Jazz, sondern die Andeutung, die Klänge, die Rhythmen. Die feinen Synths und Orgeln, immer reduziert, manchmal näher an einem Kinderkeyboard, dann wieder opulent und flächig eingesetzt. Das Vibraphon. Fast cleane, melanchonisch schrummende Gitarren. Rohes Schlagzeug, Perkussion, Blechdosen gleich. Es knistert, knackt, dröhnt. Aber alles bis ins Detail ausgewählt, gewollt und zu einem opulenten Grossen und Ganzen zusammengefügt.
Überhaupt, „Vertigo Days“ von The Notwist ist kein Album der einzelnen Songs. Es ist ein grosses Werk ohne eine einzige Pause. Die Lieder fliessen regelrecht ineinander, gäbe es keine Track-Nummern auf der CD, man würde erst in der Mitte des nächsten Songs bemerken, dass man sich überhaupt darin befindet. Und so ist es am schönsten. Kein Album der lauten Töne, sondern eines der melancholisch ruhigen. Man muss sich Zeit nehmen und geniessen. An einem Stück. Und am besten mit geschlossenen Augen.
Tracklist:
1. Al Norte
2. Into Love / Stars
3. Exit Strategy To Myself
4. Where You Find Me
5. Ship
6. Loose Ends
7. Into The Ice Age
8. Oh Sweet Fire
9. Ghost
10. Sans Soleil
11. Night’s Too Dark
12. *stars*
13. Al Sur
14. Into Love Again
Bandmitglieder:
Markus Acher – Gitarre und Gesang
Micha Acher – Bass
Andi Haberl – Schlagzeug
Max Punktezhal – Gitarre und Keyboard
Karl Ivar Refseth – Vibraphon
Cico Beck – Elektronik, Gitarre und Keyboard
Gründung:
1989
Text: Mischa Castiglioni