Czar Of Crickets / VÖ: 26. Februar 2016 / Singer-Songwriter
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Text: Michael Bohli
Sagt man nicht immer, dass die lautesten Hunde bestimmt nicht beissen? Oder erzählt man den Leuten diese Binsenwahrheit nur, um sie zu beruhigen? Eigentlich ist es absurd, eine solche Redewendung auf einen Musikstil wie harten Sludge-Metal zu übertragen, doch trifft hier die Aussage genau ins Schwarze. Die Mannen hinter der Schweizer Band Zatokrev sind keineswegs gefährliche Zeitgenossen, sondern liebenswürdige Typen mit einer sehr umgänglichen Art. Dass Frederyk Rotter ein Soloalbum vorlegt, das im zarten Singer-Songwriter verwurzelt ist, hat mich dennoch überrascht.
Rotters neue Inkarnation The Leaving erlebte ich letztes Jahr live in Zürich, er spielte sanft und zerbrechlich mit nur einer Gitarre bewaffnet Stücke von „Faces“ vor. Der damalige Eindruck hat sich auf dem Album bestätigt: Rotter versteht es, mit wenigen Mitteln ganz simple Melodien zu zaubern, die sofort haften bleiben. Seine Lieder machen keine Umwege, sie weichen nie vom Pfad ab. Somit besteht jeder Moment auf „Faces“ aus einer klar ausformulierten Harmonie, die akustische Gitarre begleitet er mit zärtlichem Gesang. Von den wilden Breaks und lauten Schreien ist der Künstler hier meilenweit entfernt, erreicht aber eine hohe Intensität mit den Wiederholungen und eindeutigen Sätzen.
The Leaving erforscht die alltäglichen Begegnungen von Menschen auf einer gefühlvollen und intimen Ebene. Der Titel „Faces“ ist gleich doppelt interessant, versucht der Musiker hinter die Masken und gefälschte Mimik der Leute zu blicken. Viele Texte fallen überlegt und melancholisch aus; interessant ist, wie das Album gegen Ende immer weiter im Schatten versinkt. Singt Rotter beim Einstieg noch klar und deutlich, verliert er sich gegen Ende immer mehr in sich selbst. Die äussere Betrachtung wird zur Projektion. Der Hörer muss sich keine Sorgen machen in einen Sumpf zu geraten, viele Stücke werden mit Schlagzeug oder Streicher aufgelockert.
„Faces“ ist nicht das erste leise Album von Rotter, aber die erste Veröffentlichung unter The Leaving. Der Neustart mit diesem Namen ist geglückt. Sicherlich liegt die Schönheit vor allem in der Ruhe, für manche könnten dies etwas zu reduzierte Betrachtungen sein – scheinen sich die Lieder doch ziemlich zu ähneln. Wer aber gerne zur Musik sinniert und sich nicht hetzen lassen will, der findet hier einen überlegten Pol der Ruhe.