Band: Tarja Turunen
Album: Act 1
Label/Vertrieb: ear-music (Edel)
Veröffentlichung: 24. August 2012
Website: tarjaturunen.com
Geschrieben von: Dennis Bäsecke
Wenn es eine Königin des Gothic-Metal’s gibt, dann ist das wohl Tarja Turunen. Ex-Galionsfigur von Nightwish und Vorzeige-Diva zwischen Klassik und Metal. Seit dem „Ende der Ära“ mit Nightwish hat sie eine Reihe hervorragender Musiker um sich geschart und Musik publiziert, die sich vor den einstigen Kollegen alles andere als verstecken muss. Ich messe der Figur Tarja überdies eine wichtige Rolle in der Szene bei; Sie fordert stets den gebührenden Respekt als Musikerin und selbstbewusste Frau ein. Damit steht sie in erfrischendem Kontrast zu all den „Bad Girls“, Naivchen und bestrapsten Männer-Projektionsflächen, die sich da tummeln und steinzeitliche Rollenbilder zementieren, dass es einen schaudern möchte. Um all das soll es in diesem Text nun aber nicht gehen. Auch stehen für mich Qualität und Kraft der meisten Songs von vornherein ausser Frage. Vielmehr interessiert mich, wie man hier mit den Hürden und Gefahren der Live-CD an sich umgeht.
Live-CD’s sind vom Anliegen her schon grundsätzlich zur Unzulänglichkeit verurteilt, weil sie versuchen etwas abzubilden, dass ohne das Raumerlebnis eigentlich gar nicht erfahrbar ist. Auf „Act 1“ versucht man, wenn ich meinen Ohren trauen darf, diesem Problem beizukommen, indem man verschiedene Mikrofonierungen für das Publikum verwendet. Mal hört man die ganze Menge, dann wieder einzelne Rufe sehr isoliert. Die sensible Mischung lässt einen dann die Präsenz der Menschen nicht nur zwischen den Songs (!) spüren und vermittelt gleichzeitig das Gefühl einer grossen Intimität und Interaktion zwischen Bühnengeschehen und dem Einzelnen. Wie ein solcher Versuch scheitern kann, zeigt zum Beispiel „Warzone K17 (Live in Berlin)“ von Funker Vogt (2009). Da hat man das Gefühl, es seien überhaupt nur 10 kreischende Frauen beim Konzert gewesen. Bei Tarja gelingt es und wir werden dem Konzert-Erlebnis erstaunlich nah gebracht.
Der Sound von „Act 1“ überzeugt mich aber auch musikalisch: Druckvoll, bombastisch, mitreissend! Ein paar Beispiele: Der plastische, treibende Beginn von „Falling Awake“, der Gänsehaut-Mitsing-Einstieg in den zweiten Refrain von „I Walk Alone“, die rockige Griffigkeit von „Still Of The Night“ und und und – Momente, die zugegebenermassen nur auf einer Live-CD möglich werden.
Zur Stückauswahl: Es findet sich eine gesunde Mischung aus Meilensteinen der Post-Nightwish-Karrierre, wie „Anteroom Of Death“, „In for A Kill“ oder „Underneath“, Nightwish-Klassikern wie Nemo und Cover-Songs. Dabei gelingt es Tarja, eine grosse stilistische Bandbreite, über den Tellerrand des Gothic-Meatal’s hinaus, zu zeigen, ohne sich untreu zu werden. Auch wenn sie sich dabei bisweilen relativ weit aus dem Fenster lehnt, wie im Falle der 80er-Exkursion auf der zweiten CD – Es bleibt immer unverkennbar: Tarja.
Sie selbst ist wie gewohnt technisch solide und spielt vergnügt mit Phrasierungen und Technik. Der Klang, den sie zum Beispiel bei „Into The Sun“, einem brandneuen Song, oder „Oasis – The Archive Of Lost Dreams“ entfaltet, indem sie ihr Vibrato eben nur punktuell einsetzt, ist immer wieder bezaubernd. Die Mitstreiter sind nicht minder spielfreudig und so wird ein musikalisches Feuerwerk nach dem anderen gezündet. Kaum überraschend also, dass „Act 1“ als CD und als DVD in den europäischen Charts eingeschlagen ist, wie eine Rakete.
Alles in allem ziehe ich schlussendlich doch die Präzision eines Studioalbums der Live-CD vor. Aber „Act 1“ ist äusserst Eindrucksvoll und mit viel Liebe produziert. Ein grosses und herzliches Geschenk an die Fans, das die Möglichkeiten des Formates „Mitschnitt“ voll ausschöpft.
Tracklist:
CD 1:
1. Anteroom Of Death
2. My Little Phoenix
3. Dark Star
4. Naiad
5. Falling Awake
6. I Walk Alone
7. Little Lies
8. Into The Sun
9. Nemo
10. Never Enough
11. Still Of The Night
12. In For A Kill
CD 2:
1. Boy And The Ghost
2. Lost Northern Star
3. Ciaran’s Well
4. Tired Of Being Alone
5. Where Were You Last Night – Heaven Is A Place On Earth – Livn’on A Prayer
6. Underneath
7. Oasis – The Archive Of Lost Dreams
8. Crimson Deep
9. Toccata And Fugue D-Minor (BWV 565) – The Phantom Of The Opera
10. Die Alive
11. Until My Last Breath
12. Over The Hills And Far Away
Bandmitglieder:
Tarja Turunen – Gesang, Klavier
Alex Scholpp, Julian Barrett – Gitarre
Doug Wimbish, Kevin Chown – Bass
Mike Terrana – Schlagzeug
Christian Kretschmar – Keyboard
Max Lilja – Cello