Band: Tamar Aphek
Album: All Bets Are Off
Genre: Rock / Jazz
Label: Exag Records
VÖ: 29. Januar 2021
Webseite: tamaraphek.com
„All Bets Are Off“ übersetzt sich wohl am besten mit „Alles ist möglich.“ Dies sollte gleich einmal eine Idee geben, was man zu erwarten hat, wenn sich eine in der Piano- und Chor-Szene, sowie der Filmmusik-Welt zelebrierte Musikerin dafür entscheidet, alle Theorie in den Wind zu schlagen und sich kurzerhand E-Gitarre und Amp zuzutun. Genau dies hat die israelische Künstlerin Tamar Aphek gemacht. Nach einigen Ausflügen in die Rockszene Tel Avivs mit Bands wie Carusella oder Shoshanna, lässt sie nun ihre erste Soloplatte auf uns los.
Wie kaum anders zu erwarten, hat Tamar Aphek ein Sammelsurium an Stilrichtungen und Einflüssen unter einen Hut gebracht. Ihre Absicht war es, Unerwartetes zu kreieren. Einen eingängigen, catchy Indie-Song mit bizarrem Reggae-Feeling zu schaffen, oder ein Stück zu schreiben, dass eigentlich auch von Johnny Cash sein könnte. Wäre es nicht mit äthiopischen Perkussionselementen und schier unverständlichen Jazz-Beats unterlegt. Das Album beginnt relativ normal: Der Opener „Crossbow“ ist mit dem Schlagzeug im Lead zwar nervös und unaufhaltsam, doch ziemlich geradlinig. Auch das folgende kratzig-harte „Russian Winter“ mit seinen atonalen Gesangslinien und verzerrtem Bass ist leichte Kost.
Spätestens mit dem fünfminütigen „Drive“ und dem darauffolgenden „Too Much Information“ ist Schluss mit lustig. Beginnt ersteres zahm und bricht erst gegen Ende in vertrackte, komplizierte Improvisationen auseinander, ist letzteres eine echte Tour de Force. Aphek singt verträumte Gesangslinien und spielt sanfte Gitarrenparts, währenddessen das Schlagzeug komplett durchdreht. Drummer Yuval Garin ist in einer völlig anderen Welt, der Song ist kaum mehr als ein vier Minuten langes Schlagzeugsolo, über welches mit sphärischem Gesang und ein paar Bassläufen aus der Hand von Uri Kutner noch etwas Melodie gepackt wurde.
Es fällt schwer, zu diesem Album tatsächlich ein Urteil zu fällen. Ich bin mir auch nach mehrmaligem Hören nicht sicher, was ich davon halten soll. Faszinierend? Auf jeden Fall. Musikalisch auf höchstem Niveau? Definitiv. Geniessbar? Ich weiss nicht. Anhören soll man sich „All Bets Are Off“ auf jeden Fall, ist zweifellos, dass Tamar Aphek ein Kunstwerk geschaffen hat, dass Seinesgleichen sucht.
Mit dem kleinen Liedchen „As Time Goes By“ endet alles anders. Es besteht nur aus Cello und Akustikgitarre und Aphek haucht in bester 50ies-Manier eine kleine Liebesgeschichte dazu. Das Stück klingt, als ob es über einen uralten Plattenspieler laufen würde und ist erfrischend normal und sympathisch. Man kommt nicht umhin, das Album mit einem Lächeln auf den Lippen zu beenden. Besser hätte „All Bets Are Off“ nicht abgeschlossen werden können, denn wie der Titel versprach: hier war wirklich alles möglich.
Tracklist:
1. Crossbow
2. Russian Winter
3. Show Me Your Pretty Side
4. All I Know
5. Drive
6. Too Much Information
7. Beautiful Confusion
8. Nothing Can Surprise Me
9. As Time Goes By
Bandmitglieder:
Tamar Aphek – Gesang und Gitarre
Uri Kutner – Bass
Yuval Garin – Schlagzeug
Text: David Spring