19. April 2017
Im Gespräch mit: James Lascelles – Sänger und Gitarrist bei Wheel.
Es tut sich etwas im Norden: Nachdem viele Länder bereits beweisen konnten, dass Progressive Metal auch in der heutigen und modernen Zeit funktioniert, gibt es mit Wheel nun endlich ein Paradebeispiel aus Finnland. Mit ihrer ersten EP „The Path“ legten sie drei Stücke vor, die sich hören lassen können. Poly-Rhythmik, druckvolle Produktion und viele Anleihen bei bekannten Gruppen. Zeit für ein paar Fragen.
Michael: “The Path” ist eure erste Veröffentlichung. Das ist nach all dieser harten Arbeit bestimmt eine grosse Erleichterung?
James: Das ist es auf jeden Fall, wir sind sehr zufrieden mit den Aufnahmen – besonders, da wir alles innerhalb von zwei Tagen erledigt haben. Wir freuen uns nun sehr auf die Reaktionen der Leute.
Eure Musik klingt weit, tief und modern – aber es befinden sich nur drei Songs auf „The Path“. Wieso habt ihr euch für dieses kleine Format und gegen ein reguläres Album entschieden?
Diese Songs legen die Rahmenbedingungen und die stilistische Richtung vor, in die wir uns kollektiv bewegen möchten. Und nach einigen heftigen Umstellungen haben sie sich zu dem entwickelt, was wir nun veröffentlicht haben. Diese drei Tracks auf einer EP herauszubringen fühlte sich also richtig an.
Ihr spielt seit 2015 als Band zusammen. War es schwierig, die Energie von der Bühne ins Studio zu verlegen?
Nein, überhaupt nicht, aber es ist ein anderer Kampf als ein Auftritt. Wir sind bei den Aufnahmen extrem organisiert und gehen sicher, dass wir genau wissen, was wir spielen werden, bevor wir das Studio betreten. All das Schreiben und Strukturieren passiert zuvor im Proberaum – was uns erlaubt, mit voller Konzentration die besten Takes bei der Aufnahme zu erreichen.
Es liegt etwas extrem befriedigendes im Abschluss einer Aufnahme und darin, diese Komposition als Ganzes zu hören. Das gibt uns Antrieb und hilft auf jeden Fall, die Motivation und Energie im Studio hochzuhalten.
Man kennt Finnland nicht direkt für seine Prog-Szene. Wie hat sich denn der Klang von Wheel entwickelt?
Wir alle sind langjährige Fans von diversen Progbands und -richtungen. Als ich 16 war, ich habe ich Tool entdeckt und ein Studio-Ingenieur gab mir einen Fachkommentar zum „Aenima“-Album. Dies hat mir die Augen bezüglich kreativer Struktur, Polyrhythmik und Dynamiken geöffnet und ich merkte, wie diese Mittel als dramatische Effekte im Songwriting einzusetzen sind. Und seither bin ich süchtig danach.
Man hat ein echtes Gefühl der Freiheit, wenn man progressive Musik macht. Einschränkungen, welche andere Genres mit sich bringen, kann man hier vergessen. Man darf längere und voluminösere Lieder spielen als Bands in anderen Bereichen, und wir müssen uns nicht an die Länge von drei oder vier Minuten halten. Zusätzlich schreiben wir auch keine Musik, um die Leute zum Tanzen zu bringen. Wir können also ohne schlechtes Gewissen abstrakte Takte und ähnliches benutzen.
Wir wollen mehr als alles andere die beste und interessanteste Musik schreiben, die wir können und dazu weiterhin unseren Prozess verfeinern.
Aber mal ehrlich, Stücke wie „Farewell“ klingen schon sehr stark nach A Perfect Circle. Solche Bands waren bestimmt eine riesige Inspirationsquelle?
Das waren sie auf jeden Fall. Wir haben diese erste EP zu einer Zeit geschrieben, in der ich fast nur Tool, A Perfect Circle und Karnivool gehört habe. Und ich bin mir sicher, dass unsere Hörer diese Einflüsse auch bemerken werden. Diese drei Bands gehören immer noch zu meinen absoluten Favoriten und hatten einen grossen Einfluss auf die Produktion der Musik.
Würdest du sagen, dass auch die finnische Landschaft einen Einfluss auf eure Arbeit hatte, oder wart ihr mehr auf die urbanen Gegenden fokussiert?
Finnland ist ein wunderschönes Land mit wunderbaren Menschen. Ich lebe hier seit sieben Jahren und kann mir keine andere Heimat mehr vorstellen. Trotzdem, alle vier von uns leben im Umkreis von Helsinki und darum denke ich kaum, dass die ländliche Umgebung einen Einfluss hatte.
Prog wird immer mehr zu einer neuen Kraft mit Bands wie Volta, Periphery oder Leprous. Ist dies ein neuer Aufbruch, eine neue Ära – und wird es halten?
Das ist eine gute Frage. Die Progszene hatte in den letzten Jahren auf jeden Fall Aufwind erhalten und wurde immer lebendiger. Es gibt einige tolle neue Bands, welche Musik in den Stilen machen, die wir lieben. Und es ist schön zu sehen, dass es noch einen Markt für Prog gibt.
Um etwas allgemeiner zu werden: Vieles hat sich in den letzten 15 Jahren in der Musikindustrie verändert und man kann weniges in Bezug auf diese neuen Prog-Bands als Konstante sehen. Kleine und mittlere Konzertlokale schliessen vermehrt, was viele Möglichkeiten für neue Bands zerstört. Labels haben, zumindest in Finnland, den Grossteil ihrer Ressourcen für Castingshows ausgegeben und können dadurch nicht mehr in eher „künstlerische“ Musik investieren. Natürlich schwinden in den meisten Ländern auch die physischen Verkäufe immer mehr. Das heisst aber nicht, dass es für neue Bands unmöglich ist und es keine Wege mehr für sie gibt. Aber ich habe das Gefühl, dass die jungen Leute vermehrt keine Hilfestellungen mehr erhalten.
Positiv ist natürlich, dass sich in den letzten zehn Jahren viele neue Methoden und Möglichkeiten entwickelt haben, Musik zu verbreiten oder mit der Fanbase zu kommunizieren. Wenn Bands diese Werkzeuge kompetent nutzen, werden sie immer Wege finden, um die Musik an neue Leute zu bringen und mehr Fans zu gewinnen.
Mit welchen anderen Bands würdet ihr denn gerne eine wuchtige Prog-Tour durch Europa veranstalten?
Es gibt eine riesige Liste mit Bands, mit denen wir gerne auftreten würden. So spontan kommen mir Tool, A Perfect Circle, Karnivool, Meshuggah oder Steven Wilson in den Sinn.
Und zum Schluss: Is the wheel always turning?
The wheel never stops turning and we wheely hate bad puns.
Interview: Michael Bohli