29. September 2017
Im Gespräch mit: Marco Wanda und Manuel Poppe von Wanda
Dauerhaft gefeiert, schier unerhört hochgejubelt: Alle reden von WANDA, alle wollen WANDA. «Das kann doch nichts Gutes sein», dachte ich und wollte lange nichts mit der Pop-Band aus Wien zu tun haben. Mit Pop stand ich aber schon immer auf Kriegsfuss.
«Scheiss auf den Fuss, scheiss auf den Krieg, umarme zumindest diesen Pop», dachte ich zwei Platten später. Ausserdem setzen WANDA am 6. Oktober 2017 mit ihrem dritten Studioalbum „Niente“ ihren Eroberungsfeldzug fort. Silberling Nummer 3 ist übrigens gülden, das heisst: wild und doch zärtlich, von verschiedensten Einflüssen geschwängert. Ausserdem versprüht das Album Charme und Witz und betört ganz nebenbei mit melodiöser Strahlkraft.
Alles Grund genug, um sich in der Zürcher Hafenkneipe mit Goldkehlchen Michael sowie Saitenhexer Manuel zum Bier zu treffen.
Cyril: Puff-Mama-Band, Pop-Band, Wiener Band … Was war eure abstruseste Bezeichnung?
Wanda: Bierzelt-Band ist das Absurdeste überhaupt, gefolgt von Schlagerstars in Lederjacken. Puff-Mama-Band ist aber gut (lautes Lachen).
Und wie bezeichnet ihr euch?
Rock’n’Roll-Musiker – mit der Besessenheit, gute Lieder zu schreiben und damit die Leute in Ekstase zu versetzen.
Welche Bands mögt ihr, wer hat euch beeinflusst?
The Beatles, Nirvana, Oasis, Sonic Youth, The Vipers, The Stooges … Und all jene, die früher in den Wiener Wirtshäusern für’s Proletariat gespielt haben. Das war noch richtiger Punk.
„Niente“ habt ihr vor der Veröffentlichung als dumme, aber starke Platte bezeichnet. Wie dumm und wie stark?
Echt jetzt, haben wir das mal gesagt? Interviews sind oft auch Lügenfeste. WANDA lügen aber nicht, wenn wir behaupten, dass es ein Album ist, das man annehmen sollte (beide prusten wieder los).
Als eher schwermütig habt ihr den Silberling auch schon betitelt. Welche aktuelle Themen legen eure Stirn in Sorgenfalten?
Leben, Liebe, Tod. Unsere Musik wird dieses Trio immer begleiten und zum Ausdruck bringen. Keine Falten, sondern richtige Krater kriegen wir bei Boshaftigkeit oder Diskriminierung von Minderheiten. Und bei Spaltungen oder Unterteilung in Lager – etwa Links-/Rechtspopulismus – werden unsere Stirnen richtiggehend zertrümmert. Esoterik ist auch nichts für uns. Die Welt war aber immer schon grausam und schön zugleich. Wir müssen einfach lernen, besser damit umzugehen.
Worüber werden WANDA nie singen?
Politik. Wir besingen ausschliesslich Themen, die Menschen verbinden, wie eben Leben, Liebe, Tod.
Bringt ihr «Schickt mir die Post» auch live … Und singt das Publikum lautstark «Besucht die Mama, wenn sie schläft, schlagt ihr für mich den Schädel ein»?
Wunderbare Frage! Bei diesem Lied höre ich mich jeweils gar nicht mehr singen. Das schreit und brüllt unser Publikum richtiggehend mit. Grossartig. Diese Nummer zu spielen, ist immer wieder unglaublich schön. Wir verdanken ihr sehr viel, sie war ja auch unsere allererste Single.
Was meint ihr damit, wenn ihr sagt, ihr arbeitet auf Augenhöhe mit euren Fähigkeiten?
Na ja, es gibt drei ungebetene Gäste im Studio. Das sind Drogen, Kater und Eitelkeiten. Gerade Eitelkeit ist ein Irrweg, den man nicht beschreiten soll. Was man aber unweigerlich tut, wenn man zu viel von sich und von der Musik will. Klar, wir möchten grosse Klassiker schreiben. Wir üben aber nicht wie wild auf ein Ziel hin und setzen alles daran, ebendieses dann eins zu eins umzusetzen. Intuition ist wie unsere zweite Haut und die fühlt sich gut an.
Vom Klassiker zum klassischen WANDA-Fan. Wie seht der aus?
Den gibt’s nicht. Unser Publikum ist wie ein buntgemischter Blumenstrauss. Alles ist dabei, alles riecht gut. WANDA-Fans sind sehr laut, sehr leidenschaftlich.
Ihr redet auch bei heiklen Themen oft und viel – wie sprudelnde Jungbrunnen. Wie reich sind WANDA?
Da sind wir doch eher still. Denn es geht in erster Linie darum, uns am Leben zu erhalten. Das können wir und alles weitere ist ein Gewinn. Ein seelischer Gewinn vor allem. Überhaupt, Geld sollte man wie einen Boomerang behandeln. Je mehr oder je stärker man es wegwirft, desto mehr respektive desto Schöneres kommt auch zurück.
Und wie sieht eigentlich der typische WANDA-Tag aus?
Ich, Marco, wache auf und scheiss drauf. Anschliessend stehe ich auf, schreibe ein Lied und scheitere. Dann ist Abend, ich besaufe mich, schreibe erneut – und es funktioniert. Daraufhin gehe ich glücklich schlafen.
Auch ich wache auf (lacht) und werde gleich wieder müde. Dann beobachte ich meine beiden Katzen. Wenn ich Zeit habe, dann starre ich sie den ganzen Tag an und analysiere ihr Verhalten. Das ist wunderbar anti-depressiv. Aber es ist schon so, abseits unseres musikalischen Daseins gibt es derzeit kaum Platz für Anderes. Musik konsumiert unser aller Leben. Ist es ein Teufelskreis? Ist es Segen? Wir werden es sehen.
Der sechste WANDA ist ohnehin der Sensemann, habt ihr zumindest mal gesagt. Was ist ein Grund, WANDA zu Grabe zu tragen?
Wenn die Welt untergeht. Aber noch viel lieber wollen wir für unsere Vernichtung verantwortlich sein. Geschieht aber nicht. Jetzt noch nicht, denn wir geniessen es zu sehr. Und wir wissen, dass es sowas nur einmal im Leben gibt, wenn überhaupt.
Schön gesagt, „schön“ wird sicherlich auch euer nächstes Schweiz-Gastspiel am 1. April 2018 in der Halle 622.
Danke und ja, auch schön gesagt.
Interview: Cyril Schicker