14. Dezember 2017
Im Gespräch mit Roy Mayorga von Stone Sour
6 Monate, 82 Konzerte und 16 Länder
Stone Sour haben gerade die grösste Europa-Tournee ihrer Karriere hinter sich. An ihrem zweitletzten Konzert trafen wir uns in der Samsung Hall Zürich mit Schlagzeuger Roy Mayorga, um ein wenig über seine musikalische Karriere, die aktuelle Tour und das neue Album «Hydrograd» zu plaudern.
Der Tourmanager führt uns durch ein Labyrinth zu dem Raum, in dem der 47-jährige Musiker bereits auf uns wartet. Er öffnet die Tür und macht uns mit Roy bekannt, welcher gerade dabei ist, ein paar technische Aufwärmübungen zu absolvieren.
Patrick: Willkommen zurück in der Schweiz. Wie geht es dir?
Roy: Sehr gut, grossartig sogar. Ich bin bereit, das Ding heute zu rocken!
Du warst ja schon vor deiner Zeit bei Stone Sour im Musikbusiness aktiv und hast mit Bands wie Soulfly und Sepultura grosse Erfolge feiern können. Gibt es eigentlich Unterschiede, wenn du beispielsweise für Soulfly die Drums spielst im Vergleich zu Stone Sour?
Oh ja, die gibt es absolut! Wenn du in einer neuen Band spielst, dauert es immer eine gewisse Zeit, bis du dich angepasst hast. Das ist sehr genrespezifisch. Wenn du zum Beispiel Heavy Metal spielst, ist es etwas total anderes, als wenn du in einer Jazz-Band spielst. Der Einstieg bei Stone Sour war damals eine grosse Herausforderung für mich, das hat mir sehr gefallen.
Du hast ja einen sehr aggressiven Drumstil. Wer waren deine Idole – oder anders gefragt, wer hat dich am meisten inspiriert?
Hmm, so aus dem Kopf heraus würde ich sagen: John Bonham (Led Zeppelin), Keith Moon (The Who), Neil Peart (Rush) und Stewart Copeland (The Police). Halt Drummer von diesem Kaliber. Ich höre sehr gerne Soul-Musik aus den 60er und 70er Jahren und auch die Werke vom Motown-Label. Beispielsweise fing ich mit fünf Jahren an, zu den Songs von Künstlern wie Curtis Mayfield und James Brown mitzuspielen. Später entdeckte ich dann Bands wie AC/DC und Led Zeppelin. So gesagt waren es eher verschiedene Genres, die mich inspiriert haben, und nicht einzelne Schlagzeuger.
Wow, bereits mit fünf Jahren? Das ist ja ziemlich früh!
Naja, in diesem Alter achtet man natürlich nicht gross auf das Erlernen einer bestimmten Technik, man trommelt einfach wild auf allem rum (lacht). Nein es war natürlich damals nichts Seriöses. Es hat mir einfach enorm Spass gemacht und ich habe jeden Tag zu irgendwelchen Songs mitgespielt und wurde dadurch immer besser. Ich habe nie gross Unterricht genommen. Durch die Repetition und das Spielen neuer Songs habe ich einfach immer mehr dazu gelernt, und es ging mir immer darum, mich selbst zu verwirklichen.
Wie wir ja schon gesehen haben, machst du vor einer Show noch technische Übungen um dich aufzuwärmen. Hast du auch noch andere Rituale vor einem Konzert?
Eigentlich nicht, das ist so ziemlich alles, was ich vor einer Show mache. Ich prügle noch ein wenig auf diesen Übungspads rum, mache ein paar Basekicks und ein paar Dehnübungen dürfen auch nicht fehlen. Ganz wichtig: Ich trinke meist noch so einen Post-Workout-Shake, der ist gut für die Muskeln. Sonst kackst du ab wenn du live spielst! (lacht)
Lass uns ein wenig über euer neues Album «Hydrograd» sprechen. Zwei Songs auf dem Album haben mir besonders gut gefallen. Wie sieht das bei dir aus? Gibt es Songs von der neuen Scheibe, die dir live besonders Spass machen?
Der Song “Fabuless”, denn er ist einer der aggressivsten Songs auf dieser Scheibe. Oder auch “Somebody Stole My Eyes”. Eigentlich mag ich alle Songs, die wir live performen. Wir spielen unter anderem auch “Song #3”, “Rose Red”, “Taipai” und zusammen mit „Fabuless“ ist das eine super Mischung, die das neue Album bestens repräsentiert. Ausserdem wird ja alles noch mit alten Songs ergänzt, einige auch aus den ersten zwei Alben. Wir haben darauf geachtet, dass von jedem Album ein paar Songs dabei sind. Das ist super und gibt uns ein langes Set. Wir spielen etwa 90 Minuten, also nicht zu kurz und nicht zu lang. Es ist cool, denn man sieht speziell bei diesem Set ein bisschen die musikalische Evolution, welche die Band seit dem ersten Album durchgemacht hat. Die alten Songs passen live auch super mit den neuen zusammen. Ich würde gerne mal ein Live-Album machen, um diese Energie festzuhalten.
Das neue Album ist ein wenig mehr Rock and Roll und ein bisschen weniger Metal als die vorherigen. Wie ist es dazu gekommen?
Das geschah auf ganz natürliche Weise. Wir haben uns nicht im Vorherein überlegt, wie das Album klingen soll. Es ist einfach so entstanden. Wir haben uns nicht vorgenommen, ein Rock and Roll-Album zu machen, es hat sich halt einfach so entwickelt. Diese Band trug schon immer eine gewisse Rock and Roll-Attitüde mit sich. Nun ist diese halt ein wenig mehr in den Vordergrund gestossen und ich denke, das ist ganz okay. Wir haben ja auch noch andere Songs wie “30/30-150” oder “Get Inside”, die härter sind. Als Band muss man sich auch nicht auf einen Stil festfahren.
Man könnte also sagen, das ist die Evolution von Stone Sour – wie sich die Band seit dem letzten Album entwickelt hat?
Stimmt! Man kann nicht immer dieselbe Musik machen. Eine Band besteht aus individuellen Musikern und jedes Individuum entwickelt sich stets weiter. So kommt es halt auch, dass sich die Musik über die Jahre anpasst und verändert. Ich finde, wir klingen nach wie vor nach Stone Sour, einfach ein bisschen anders. Man wird ja auch nicht jünger (lacht).
Ich habe gehört, dass ihr dieses Album anders aufgenommen habt als eure vorherigen Alben. Kannst du uns mehr darüber erzählen?
Ganz genau, das ist der andere Punkt. Die Tatsache, dass wir dieses Mal alle zusammen zur selben Zeit im Studio aufgenommen haben, trägt auch sehr stark dazu bei, wie dieses Album nun klingt. Mit Stone Sour haben wir zuvor nie so gearbeitet. Bei allen bisherigen Alben wurden immer die Gitarren auf ein Klick aufgenommen und danach war ich an der Reihe. Das ist eine sehr effiziente Art, wie man schnell zu einem guten Resultat kommt. Aber jetzt, nachdem wir Hydrograd alle zusammen live aufgenommen haben, muss ich sagen: Das ist meiner Meinung nach die Methode, welche für uns am besten funktioniert. Eigentlich ist dies ja die natürlichste Weise, wie eine Band aufnehmen kann. Ich habe seit dem ersten Soulfly-Album nicht mehr so aufgenommen. Dort sassen wir auch alle zusammen im selben Raum und nahmen gleich bis zu fünf mal den selben Track auf. Die besten Tracks haben wir dann verwendet.
Genauso haben wir es nun mit Stone Sour auch gemacht. Nicht einmal ein Klick haben wir verwendet! Wenn ein Song schneller oder langsamer wird – ist doch super! Die Musik lebt durch solche dynamische Momente, und all die grossen Songs aus den 70ern und 80ern wurden auch so aufgenommen. Ich glaube, in der heutigen Musikszene fehlt genau diese Dynamik. Wir haben das nun für uns entdeckt und es funktioniert super!
Was können Stone Sour-Fans von eurem nächsten Album erwarten? Wird es härter als Hydrograd oder poppiger?
Naja, das weiss ich nicht, wir sind zurzeit noch auf Tour mit diesem Album. Die Fans müssen sich wohl noch ein wenig gedulden (lacht). Ich kann es echt nicht sagen. Ich meine, wenn du mich vor drei Jahren über dieses Album gefragt hättest, hätte ich auch geantwortet: “Keine Ahnung, dass kann ich dir nicht sagen”. Kommt ganz darauf an, wie wir uns zu diesem Zeitpunkt fühlen werden. Vielleicht wird es düsterer, harter Thrash Metal. Vielleicht aber auch Country …
Nun, einen Country-Song habt ihr jetzt ja schon auf der neuen Scheibe!
Ah ja, du meinst “St. Marie”. Das verrückte an diesem Lied ist, er hat nicht als Country-Song begonnen. Corey hat den Song einfach mal akustisch aufgenommen. Ich habe dann Synthesizer und Piano hinzugefügt und eigentlich klang es dann mehr nach den Eagles. Als wir dann noch Backing Vocals und das Schlagzeug ergänzt haben, klang es nochmals ein wenig anders. Und als am Schluss die Idee mit der Steelguitar umgesetzt wurde, klang es total nach einem Country-Song. Es war einfach geil! Plötzlich hatten wir einen Country-Western-Song. Wieso auch nicht? Das liebe ich so an dieser Band! Es gibt keine Regeln, keine Kompromisse.Wir haben keine Angst davor, uns in unbekannten Gebieten auszutoben und zu experimentieren. Und auf einmal haben wir einen Country-Song auf unserem Album.
Das nächste Stone Sour Konzert in der Schweiz wurde ja bereits angekündigt. Und zwar am 23. Juni 2018.
Wa…wa…warte mal, was?
Ja, ich war auch sehr überrascht! Am 23. Juni 2018 in Lausanne. Hat das etwas mit der Festivalsaison im nächsten Sommer zu tun?
Oh ja, klar, jetzt erinnere ich mich, haha. Genau, wir spielen dann in Lausanne. Die Gelegenheit hat sich ergeben, da wir im Sommer sowieso sechs Wochen durch Europa touren und diverse Festivals abklappern werden. Einerseits Hellfest, Rock im Park und viele mehr! Die anderen sind mir momentan gerade nicht mehr geläufig. Aber das wird ein grosser Spass, wie immer. Ich freue mich sehr darauf! Zwischen den Festivals werden wir noch ein paar eigene Shows spielen, eine davon wird wohl jene in Lausanne sein.
Wie macht ihr das eigentlich mit dem Songwriting?
Wir arbeiten an den Songs, wenn Corey mit Slipknot unterwegs ist. Dann haben wir Zeit, uns um die instrumentalen Parts zu kümmern. Es ist ein perfektes Setup. Er ist für ein paar Jahre weg, in dieser Zeit arbeiten wir und hängen rum und wenn Corey dann wieder dazu stösst, vollendet er die Songs mit seinem Einfluss. Das funktioniert sehr gut.
Corey ist ein richtiger Workaholic!
Ja, er hört einfach nicht auf. Wir haben nichts zu klagen, wir bekommen unsere Pausen vom Tourstress, er aber nicht. Das ist schon verrückt! Er ist einer der am härtesten arbeitenden Musiker in diesem Business und einer der besten Frontmänner, mit denen ich je zusammengearbeitet habe. Er ist ein wahnsinns Freund, wie ein Bruder für mich. Ich bin wirklich froh, ihn in meinem Leben zu haben. Das gilt natürlich für alle aus der Band. Wir sind beste Freunde, es ist einfach super! Es macht das Tourleben viel erträglicher, wenn du weit weg von Zuhause bist und so tolle Menschen um dich herum hast.
Wenn du diesen Sommer ein Festival planen könntest, welche drei Bands wären die Headliner ?
Wenn ich ein Festival organisieren müsste? Puh, darüber habe ich mir nie wirklich Gedanken gemacht. Ich, ähm … keine Ahnung (lacht).
Wie feierst du die Weihnachtszeit?
Ich werde Weihnachten ganz gemütlich daheim mit meiner Familie verbringen.
Keine Konzerte?
(lacht) Nein, sechs Monate … Das muss reichen. Wir spielen morgen noch das letzte Konzert dieser Tour und dann gehts zurück nach Hause. 82 Konzerte in sechs Monaten! Wir sind durch 16 Länder gereist. Vielleicht sogar noch mehr. Das hinterlässt schon seine Spuren.
Wow, das ist sehr beeindruckend! Vielen Dank, Roy Mayorga. Wir von Artnoir wünschen dir frohe Festtage und bedanken uns ganz herzlich für dieses interessante Gespräch!
Ich danke euch! Euch allen da draussen. Sowohl den Fans als auch den Musikjournalisten, die durch ihren Support dafür sorgen, dass diese Band weiterhin am Leben bleibt!
Interview: Patrick Bottarella