Datum: 1. März 2014
Im Gespräch mit: Yogi Lang von RPWL
Die „Befreiung des Geistes“ durch unser höchstes evolutionäres Gut: unsere Fähigkeit des freien Denkens!
RPWL zelebrierte schon eh und je den Art Rock auf höchstem Niveau und beweisen auch mit dem aktuellen Album, dass sie gewagt philosophische Themen locker aus dem Ärmel schütteln können. Mit „Wanted“, welches am 14. März 2014 erscheinen wird, haben sie sich etwas Besonderes einfallen lassen und schliessen thematisch gesehen nahtlos an das Vorgängeralbum „Beyond Man And Time“ an.
Sänger Yogi Lang klärte im Interview mit artnoir detailliert auf, wie RPWL die Welt befreien möchte. Die musikalisch Untermalung hierzu, wird in der CD Review an anderer Stelle beschrieben (siehe Rezension zu „Wanted“).
Liane: Ihr steht kurz vor dem Release des neuen Albums „Wanted“. Die Frage die sich hierbei aufdrängt ist, was schiebt man nach einem so grossartigen und hochgelobten Werk wie „Beyond Man And Time“ noch nach?
Yogi Lang: Einige empfanden „Beyond Man And Time“ doch als sehr theoretisch. Ich fand das zwar nicht unbedingt, trotzdem war es natürlich ein Werk voller Bilder und Gleichnisse. Es enthält dabei viele alternative Ansätze zu unserem alten verstaubten abendländischen Erbe. In einem neuen Album wollten wir einige Gedanken aus „Beyond Man And Time“ mit Hilfe einer Geschichte ins „Hier und Jetzt“ bringen. Das war die Geburtsstunde von „Wanted“.
Die Idee mit dem Hörbuch zu “Beyond Man And Time” fand ich klasse, wird es das zum neuen Album auch geben? Die Geschichte auf „Wanted“ wirklich zu verstehen, ist ja nicht gerade unbedeutend.
Ich denke, um die Geschichte zu “Wanted” in ein Hörbuch zu packen, müssten wir einen ganzen Roman schreiben mit vielen hundert Seiten. Zumindest fühlt es sich so an. Es gibt ja alleine schon zwei Haupt-Ebenen in dieser Geschichte. Zum einen der in „Beyond Man And Time“ enthaltene individualistische Alternativ-Ansatz der „Befreiung des Geistes“, aber zum anderen auch das Dilemma um die Frage: Gibt es ein richtiges Leben im Falschen? Kann man ein inneres legales Leben führen und dabei eine äussere Illegalität tolerieren?
Unser Bestreben die Welt zu befreien von all den Wahrheitsverdrehern und der Industrie der Illusionen wiegt in „Wanted“ schwerer als der Verlust unserer sozialen Legalität. Die herrschende Elite und die institutionalisierten Religionen sind nicht sonderlich interessiert am aufgeklärten Individuum und versuchen uns und unsere Idee natürlich zu verhindern. Deshalb sind wir „Wanted“.
Es geht ja, kurz gesagt, um die „Befreiung des Geistes“. Was konkret war der Auslöser für das Thema?
Wir hatten ja die Idee der praktischen Umsetzung schon direkt nach der letzten Tour. Aber im Grunde sind die neuen Ansätze in „Beyond Man And Time“ eher eine logische Konsequenz aus unserer sozialen Realität. Die Frage ist doch, wie gehen wir um mit unserem evolutionären Geschenk, dem für uns typischen selbstreflexiven Denken. Es ist ein offensichtliches Phänomen, dass versucht wird, absichtlich oder unabsichtlich, wirkliches Denken in unserer Welt zu verhindern.
Eine Entwicklung die wir in „Beyond Man And Time“ als „Stillstand des Geistes“ bezeichnet haben. Ist es nicht enorm praktisch, dass kaum noch jemand hinterfragt, was genau in Wahlprogrammen von Parteien steht? Ist es nicht enorm praktisch, dass viele nur noch aufgrund einer Mischung aus Glauben und Sympathie wählen und so eine Wahl entscheiden? Können wir das überhaupt als Wahl bezeichnen, wenn die besten Werbemassnahmen über ein Land entscheiden? Wer macht Politik? Die Darsteller oder die Lenker der Darsteller?
Das sind alles Beispiele nicht hinterfragter Mechanismen und die gibt es zuhauf. Aber oft sind wir ja schon in unserer sprachlichen Vorstellung von den Wortbedeutungen entfremdet. Wer weiss denn überhaupt noch was Demokratie bedeutet? Ich denke, dass sich der Erfinder der Demokratie, die griechische Antike, im Grabe wälzen würde, wenn sie wüsste, wie uns dieser Begriff zwischen multimedialer Ablenkung und industrieller Informationsmanipulation verzerrt untergejubelt wird.
Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, denn es spielt eigentlich eine recht untergeordnete Rolle, ob das gesteuert oder ungesteuert passiert! Fest steht doch aber: die Lösung der Probleme unserer modernen Welt steckt in unserer Fähigkeit des freien Denkens. Wo wären wir ohne unsere kognitive Entwicklung? Wir laufen nicht schneller als Raubtiere, können nicht fliegen, sind nicht besonders stark, wir haben keine besonderen Merkmale, ausser den Fähigkeiten unseres Gehirns.
Und ist vielleicht unser religiöses Erbe ein Ausweg? Nein, ich denke wir sollten doch froh sein, dass wir zumindest zu einem gewissen Teil diesen Irrweg überwunden haben. Unser Hang zur Suche nach dem Sinn oder dem Sinnenhaften im Leben verblendet uns wie sonst kaum etwas anderes.
Deshalb zähle ich diese Sinnsuche auch zu unseren niedersten Instinkten. Mit dieser grössten Schwäche des Menschen haben es die Weltreligionen geschafft, Druck auszuüben und unsere Entwicklung zu lähmen mit der Folge die „Freiheit des Geistes“ einzuschränken. Mit Fälschungen oder Umdeutungen hat man es immer wieder verstanden, die Fesseln so weit zu lockern, dass die weitere Existenz und Ausbreitung der Religionen gewährleistet ist: ein durchaus parasitäres Verhalten, oder?
Aber nur, weil ich meinem Kind bei Respektlosigkeit kein Auge mehr ausstechen muss, wie in der Bibel gefordert, ist das Werk nicht ethisch anspruchsvoller oder wertvoller. Es wird lediglich verschwiegen und getrickst. Wenn ich sage, wir sollten stolz sein auf das, was wir bis jetzt erreicht haben, dann meine ich vor allem den hohen moralischen Anspruch, der immer mehr in uns keimt und dessen Umsetzung uns doch so schwer fällt.
Denken wir doch zum Beispiel nur an unseren Anspruch an Toleranz oder den gegenseitigen Respekt und wie wir unsere religiösen Moralverächter um Lichtjahre überholt haben. Freuen wir uns auf die nächste Stufe unseres Daseins: Die „Befreiung des Geistes“ durch unser höchstes evolutionäres Gut: unsere Fähigkeit des freien Denken.
Raffiniert ist, dass ihr euch als RPWL in die Geschichte mit einbezogen habt. Was steht hinter dem Wundermittel “Veritas Forte”?
In der Geschichte sind wir im Besitz einer längst verloren geglaubten Formel, die jeden befähigt, Platon’s Höhle der Schattenbilder zu verlassen und die Wahrheit zu erkennen. Keine unsichtbaren jenseitigen Hilfsmittel, keine institutionalisierten Lügen, nur reine Wahrheit. Wir haben die Substanz „Veritas Forte“ getauft und versuchen sie als homöopathisches Mittel unter die Leute zu bringen. Allerdings kommen uns die weltlichen und kirchlichen Lenker auf die Schliche und versuchen uns zu illegalisieren und zu jagen.
Wir sind „Wanted“. Allerdings geben wir nicht auf und versuchen die Welt in einem finalen Anschlag zu befreien: zur „Stunde Null“ wird die Substanz überall auf der Welt in das Grundwasser geleitet. Die Folge ist ein neues Zeitalter, losgelöst von allen Trugbildern, in einem neuen Bewusstsein der eigenen Existenz. Rein musikalisch gesehen versuchen wir grundsätzlich immer den textlichen Inhalt mit der Musik zu verschmelzen.
Nachdem die Story klar war, haben wir die musikalischen Ideen zusammengetragen, um dann neues zu entwickeln bzw. zu komponieren. Das Album fügte sich fast wie von alleine zusammen und bekam sehr schnell ein Gesicht. Es war ja klar, dass das „Hier und Jetzt“ wesentlich direkter und ungeschönter klingen muss als die allegorische Welt „Beyond Man And Time“.
Was verstehst du persönlich unter absoluter Freiheit und in wie fern ist es in der heutigen Zeit überhaupt möglich, eine geistige Freiheit zu erlangen?
Du sprichst ja hier das Grundproblem an. Der „Stillstand des Geistes“ hat sich ja als Teil unserer Kultur etabliert. Wir müssen stärker das freie Denken propagieren und uns jeglicher Ablenkung bewusst werden. Es kann nicht sein, dass sich im 21. Jahrhundert der Grossteil der Menschheit immer noch nach dem „Brot und Spiele“ – Prinzip von einer herrschenden Elite wie eine Herde Schafe halten lässt.
Das ist natürlich auch ein Thema bei dem es um fehlgeleitete Bildung geht: Unser Modell der „Freiheit des Geistes“ hat aber auch überhaupt nichts mit dem derzeitigen Bildungsmissbrauch zu tun. Kindern, die mit systemgefälligem Wissen im Laufe ihres Bildungswegs verunreinigt werden, haben es viel schwerer, sich in einer Freiheit des Geistes zu entwickeln.
Wie werdet ihr das Thema auf der Bühne visuell umsetzen? Eine Tour zum Album steht ja bereits in den Startlöchern.
Wir werden die Story natürlich wieder auf der Bühne umzusetzen. Wie genau, das wird man dann auf Tour sehen können, es wird allerdings die aufwendigste Show, die wir je gemacht haben. Wir wollen ja schliesslich die Welt befreien.
Überhaupt, was erwartet die Besucher im Z7 in der Schweiz musikalisch? Gibt es auch ein paar Pink Floyd Songs zu hören?
Nach so einer Show kann alles passieren, natürlich auch das eine oder andere Cover 😉 Es wird sich auf jeden Fall nicht allein auf „Wanted“ beschränken.
Aktuell ist nur noch das W und das L aus RPWL übrig geblieben. Die Mitglieder welche für die Buchstaben R und P im Namen verantwortlich sind, haben 2003 bzw. 2010 die Band verlassen. Wie wichtig findest du Besetzungswechsel für die Weiterentwicklung von RPWL?
Es ist wichtig, dass eine Band funktioniert. In der Anfangszeit von RPWL war der Zeitaufwand relativ gering, nicht viel mehr wie bei einem intensiven Hobby. Langsam wurde der Zeitaufwand immer grösser, so dass es immer schwerer wurde, für diejenigen, die einen anderen Job hatten. Das ist eigentlich eine relativ normale Entwicklung und man geht ja auch meist im Guten auseinander. So hat z.B. auch das R, also Phil Paul Rissettio, kürzlich erst für uns das aktuelle Album der Band „Frequenz Drift“ eingespielt.
Eine Band, die auch gerade auf unserem Label „Gentle Art Of Music“ veröffentlicht hat. Man sieht also, der Kontakt ist nach wie vor da. Allerdings sollte trotz eines Besetzungswechsels der Geist einer Band erhalten bleiben. Wenn er verloren geht, weiss man, dass die Zeit vorbei ist.
Was waren bisher deine persönlichen sowie musikalischen Highlights in deinem Leben?
Oje, da gibt es wirklich sehr viele. Die Zeit mit RPWL war zum Beispiel voller Höhepunkte: das erste Album, die erste Tour, die vielen Freunden die wir gewonnen haben, und dann später auch unsere eigene Plattenfirma. Wir haben uns hier unser eigenes Studio aufgebaut und haben so nicht nur die Möglichkeit unser eigenes Ding zu machen, ohne das uns jemand reinredet, sondern auch anderen Bands zu helfen.
Aber auch die vielen tollen Musiker die man trifft: Für mein Solo Album durfte ich unter anderem mit Guy Pratt, dem Bassisten von David Gilmour und Pink Floyd, zusammenarbeiten. Wir hatten zwei gemeinsame Studiotage in denen er den Bass für das ganze Album einspielte. Du merkst schon, ich könnte noch weiter aufzählen…
Hast du das Gefühl, dass das Genre Prog Rock/Art Rock mehr und mehr an Akzeptanz gewinnt und seid ihr zufrieden mit den Verkäufen eurer Musik oder ist das nicht wichtig?
Naja, also es ist ja nicht so, dass wir wegen der Verkäufe Musik machen. Das ist natürlich Quatsch, weil wenn man anfängt Musik zu machen, in all den feuchten Übungsräumen und kleinen Bühnen auf denen man umsonst spielt, geht es um viele Sachen, aber nicht um Verkäufe. Das hat sich jetzt erst in unserer modernen Zeit der Musik -und Gesangsdarsteller verändert. Hier steht der Erfolg des Darstellers im Vordergrund.
Allerdings haben Bands wie wir ohne Verkäufe auch nicht die Möglichkeit, auf Tour zu gehen und die eigene Musik zu präsentieren. Kreativität und Business müssen also irgendwie zusammenpassen, und das tut es momentan ganz gut.
Danke für das äusserst aufschlussreiche Interview, Yogi. Die Spannung auf das bevorstehende Konzert am 17. April 2014 im Z7 in Pratteln steigt somit umso mehr!
Interview: Liane Paasila