18. Dezember 2015
Im Gespräch mit: Chris Sgdell, Marko Lehtinen und Florentin Schönmann von Phased
Dunkle Musik muss nicht immer ernst und böse sein, man darf auch gerne lachen und über den Alltag plaudern. Phased aus Basel trafen artnoir kurz vor der Plattentaufe zu ihrem neuen Album „Aeon“ im Hirscheneck in Basel.
Sänger und Gitarrist Chris Sigdell, Schlagzeuger Marko Lehtinen und der neue Gitarrist Florentin Schönmann zeigten sich dabei nicht nur gut gelaunt, sondern voller Freude wie ihr neustes Werk eingeschlagen hat. Der musikalische Wechsel von Stoner- und Space-Rock zu härterem Doom funktioniert wunderbar. Doch wie stark ist die Musik in ihrer Umgebung verankert?
Michael Bohli: Wir sitzen hier im Hirscheneck in Basel, einer Genossenschaftsbeiz mit viel philosophischem Hintergrund. Wie weit ist das von einer Musik wie Doom-Metal entfernt?
Chris Sigdell: Phased sind total asozial (lachen). Bestimmt machen wir politische Texte, aber nie rechthaberisch oder mit einem Fingerzeig. Im Gegensatz zu Punk ist es kein direkter Angriff auf gewisse Themen, mehr ein Sinnieren über das Leben im Allgemeinen.
Marko Lehtinen: Dass wir im Hirscheneck spielen liegt auch nicht darin, dass wir uns als Band politisch verpflichtet fühlen. Es gibt hier einen bekannten und tollen Club, und wer Musik wie Doom macht, der spielt in Basel an diesem Ort. Von daher gibt es eine Verbundenheit, gerade da wir auch früher das Hirschi besucht und bespielt haben. Natürlich sind wir links eingestellte Menschen, dass wir hier spielen macht aber kein klares Statement aus.
Kann man mit hartem und oft instrumentalem Metal überhaupt eine ideologische Gesinnung vertreten?
Chris: Für mich ist dies auf jeden Fall ein grosser Punkt. Ich schaue bei anderen Bands immer auf die Texte und Aussagen, und bin auch enttäuscht, wenn diese eher hohl daherkommen.
Florentin Schönmann: Texte sind auf jeden Fall ein wichtiger Aspekt. Somit ist es auch wichtig, dass wir innerhalb der Band dieselbe Wellenlänge haben und ähnlich denken.
Marko: Bei Phased fand ich etwas immer interessant, wir spielen Space-Doom mit den sehr eigenen Texten von Chris. Diese Eigenheiten, kreative Wortspiele und guter Umgang mit der Sprache, lösten uns immer etwas von anderen Genrebands. Uns ist es wichtig, spannende und Anregende Gedanken mit den Liedern zu transportieren.
Florentin ist erst seit kurzer Zeit bei Phased dabei. Wie hat sich denn die Dynamik im Bandgefüge verändert?
Chris: Florentin muss sich einfach anpassen. (lachen)
Marko: Die Dynamik auf der Bühne hat sich im wahrsten Sinn des Wortes verändert – wir klingen jetzt satter und lauter. Bandintern kann man dies allerdings noch nicht beurteilen. Florian ist erst seit einem Monat dabei, eine sehr kurze Zeit. Es hat bestimmt die Wirkung, dass wir drei alte Mitglieder uns weniger anfauchen und uns etwas zusammenreissen. Frischer Wind ist immer gut und gesund.
Ist dies auch ein Grund, wieso über 5 Jahre seit dem letzten Album vergangen sind?
Chris: Doom ist halt langsam, da braucht alles etwas mehr Zeit. (lachen)
Marko: Es gab verschiedene Gründe und wir werden momentan oft darauf angesprochen. Es war keine kreative Pause oder ein bestimmter Punkt der uns zurückhielt, es ist eine Mischung. Einerseits sind wir Männer mit Familien und Jobs, es gibt immer Jahre die vorbeiziehen ohne dass die Band im Mittelpunkt steht. Ebenso sind wir keine Profis, das Spielen kann auch Mal schwerfallen. Ein konkreter Grund ist aber der häufige Wechsel des Bassspielers. Nachdem Chris Walt uns verlassen hat übernahm Marco Grementieri für 1 1/2 Jahre, verliess die Band aber seinerseits aus privaten Gründen. Für die Studioaufnahmen kam Michael Greilinger ins Studio, ihn hört man nun auf „Aeon“, und danach begrüssten wir Harald Binder in unseren Reihen. Das verschlang ziemlich viel Zeit durch die Wechsel und die Einarbeitung der neuen Leute. Jetzt sind wir aber wieder komplett und bereit um weiter zu schreiten.
Habt ihr für Phased Ziele? Wollt ihr den Zuhörer etwas mitgeben oder sogar eine Veränderung bewirken? Chris, deine Texte sind durchdacht, aber eher aus persönlichem Anspruch?
Chris: Hauptsächlich wollen wir uns selber gefallen und umhauen, musikalisch das zu spielen, was wir mögen. Wir schauen nicht auf die Strömungen, sondern sind glücklich, wenn unsere Musik auch den Geschmack von den Leuten trifft. Unsere Lieder klingen so wie wir als Einheit funktionieren, ohne dass wir konkrete Ziele abgesteckt haben.
Marko: Jede Band wünscht sich mit ihrer Musik den Menschen etwas mit zu geben, man spielt ja nicht für sich alleine auf der Bühne. Es ist schade, wenn die Zuschauer ohne Interesse an der Gruppe nach Hause gehen. Wenn man live nebst der Musik unsere Texte versteht, freuen wir uns natürlich sehr. Wie gesagt sind durchdachte Zeilen in den Stücken für uns ein wichtiger Aspekt.
Chris: Wir würden nie unsere Musik ändern um mehr Menschen zu erreichen, das entspricht nicht unserem Anspruch an die Musik.
Nimmt der Ort Basel einen Einfluss? Gerade da die Stadt kulturell sehr durchmischt ist, mit ihrer Lage am Dreiländereck.
Chris: Ich denke nicht, dass wir auf Stoner oder Doom fokussiert sind. Es ergab sich über die Jahre und kann sich bestimmt auch wieder verändern, es gibt keine Fixierung. Wenn man älter wird, spielt man es einfach langsamer – egal ob Metal oder Punk.
Marko: Die Einflüsse der Umgebung in der du lebst sind immer vorhanden, allerdings unbewusst. Wir spielen keinen Vegan-Kletzmer, oder was momentan eine Modeerscheinung sein könnte. Sicherlich ist Basel sehr kulturell und vielfältig, doch als Doom-Band gibt es kaum mehr eine Szene und solche Musik schwebt nicht in der Luft. Von daher hört man wenig Basler Typisches raus, das wäre zu weit her gegriffen um hier zu behaupten.
Welche Bands hört ihr denn als Inspiration, welche Musik nur privat? Mischt sich das oder trennt ihr Beruf von Freizeit, plump ausgedrückt?
Chris: Wir hören viele andere Stilrichtungen. Da wir selber Metal machen, sehe ich keinen Grund 100 weitere Gruppen zu hören, die ähnliche Musik spielen. Ich selber höre viel Free Jazz, 60er Jahre Psychedelic und ähnliches – sehr wenig Doom und keinen Stoner mehr.
Florentin: In meiner Sammlung findet man viele Stoner- und Doomalben, ich höre praktisch alles, bei dem eine Gitarre dabei ist. Ruhigere Künstler wie Bob Dylan mag ich aber auch sehr gerne.
Marko: Musik mit oder ohne Gitarre höre ich mir gerne an, Electropop, Dance und ähnliches ist auch darunter. Es ist aber bestimmt nicht so, dass wir die Metalszene ignorieren. Man hört sich die Kollegen gerne an und weiss was abgeht. Trotzdem hören wir auf jeden Fall viele andere Genres und Stilrichtungen. Wir sind bestimmt keine typischen Metalheads mit diesem Musikverhalten, Leute die jeden Abend nur headbangend die Gitarre spielen.
Welches sind denn für euch die besten Alben oder Musiker des Jahres 2015?
Chris: Für mich ist es die neuste Vibravoid Liveplatte. Obwohl, wenn man Vibravoid kennt benötigt man diese Scheibe nicht unbedingt – ausser man ist ein grosser Fan. Ich selber kaufe allerdings stärker Second-Hand-Vinyl und durchforste Flohmärkte. Somit fällt mir nicht vieles ein.
Florian: Die neue Clutch ist super, aber die neuen Alben dieser Band gefallen mir immer sehr gut.
Marko: Es ist für mich schwierig, es erscheinen jährlich so viele Platten. Dazu kaufe ich wie Chris viel aus dem gebrauchten Bereich, beispielsweise Krautrock oder alter Heavy Metal. Was mich zuletzt sehr begeistert hat, war die neuste Scheibe von Wolfserpent.
Wir sprachen soeben von Vinyl, auch Phased hat wieder eine Platte veröffentlicht. Ist das intelligent für eine kleinere Band, funktioniert dies auf dem heutigen Markt noch?
Chris: Wenn man ein Album herausbringt, dann muss es fast Vinyl sein. Danach wird an den Konzerten immer gefragt. Sicherlich ist es eine Möglichkeit via Bandcamp einzelne Songs zu kaufen, doch für mich ist dies eher ein seltsames Verhalten. Der Bezug zur Band geht verloren, man weiss mit der Zeit nicht mehr, von wem die Stücke stammen und alles wird gesichtslos.
Florentin: Gerade in der heutigen Zeit der Digitalisierung ist der haptische Wert – wie ein grosses Cover – wieder wichtiger geworden. Vinyl zwingt den Hörer zur intensiven Auseinandersetzung mit der Musik. Gerade darum ist es in dieser schnell lebenden Zeit ein wichtiges Medium, das Unterstützung verdient.
Marko: Phased als Album, oder Phased auf Vinyl gibt der Musik auf jeden Fall einen erhöhten Wert. Man hat eine Hülle mit dem Produkt, dies ergänzt sich zu einem Kunstwerk. Das stärkt natürlich den Inhalt und die Musik.
Chris: Gerade auch bei der Songabfolge werden der Wert und die Wirkung grösser, nicht wie bei einzelnen Liedern die man willkürlich anhört. Wir haben uns schliesslich einen Zusammenhang und eine bestimmte Reihenfolge dazu überlegt.
Marko: Was noch wichtig ist: Vinyl wollten wir unbedingt produzieren, gerade weil an Konzerten im Metalbereich praktisch nur Platten gekauft und verlangt werden. Mit CDs ist es hingegen eher schwierig geworden. Als Promotionsmaterial ist es immer noch relevant, für den Verkauf aber praktisch ohne Belang. Somit sind uns Vinyl und Download wichtig, die Silberscheibe gab es vor allem, weil die Produktion günstig ist und es uns das Label ans Herz gelegt hat.
Im Vergleich zur Platte ist die CD bei der Produktion aber wie geschenkt oder?
Marko: Das ist so, im Gegensatz zu Vinyl ist die Herstellung einer CD heutzutage extrem günstig, auch inklusive Booklet.
Wo liegt denn die Zukunft von Phased? Lebt ihr im Moment oder plant ihr konkret weiter?
Chris: Auf jeden Fall leben wir den Moment gerne aus und schauen nicht direkt in die Zukunft. Was nach „Aeon“ kommt ergibt sich dann. Je nach persönlicher oder kreativer Veränderung.
Florian: Genau. Für mich gilt aber immer: Konzerte spielen, Songs schreiben, besser werden.
Marko: Wir sind vielleicht schon zu lange auf demselben Niveau als Band dabei, um jetzt noch nach einem Masterplan zu leben. Wir sind realistisch genug um dies einzusehen. Mit der neuen Booking-Agentur Modern Obsession in Deutschland, die vor allem im Bereich Doom-Metal stark ist, sowie der neue Platte hoffen wir auf jeden Fall, dass wir einen kleinen Schritt weiterkommen und wieder mehr spielen. Aber wir machen uns auch nichts mehr vor, wir haben keine Illusionen mehr. Wenn wir weiterhin Konzerte spielen und die Leute unser neues Album kaufen ist dies wunderbar und es geht irgendwie weiter.
Das ist doch ein geeigneter Schlusspunkt. Besten Dank für das Gespräch.
Alle drei: Gern geschehen.
Interview: Michael Bohli