2. Mai 2018
Im Gespräch mit: Andi Hofmann (Videoproduktionen, King Of Trash) und Daniel Bracher (Künstler, Bildwandel) zur Performance an der Neoscope 18.
Es war ein grosses Ereignis, damals als 1974 die Stadt Zofingen zu „zofiscope“ Kunst erschuf. Nicht nur waren alle Bevölkerungs- und Alterschichten beteiligt, nein auch die regionale Kunstszene war danach nie mehr die gleiche. Gut also, beruft sich das Kunsthaus Zofingen mit der Neoscope 18 auch dieses Jahr wieder auf das Ereignis von damals und bietet unter der Kuratorin Claudia Waldner eine Plattform für junge Künstlerinnen und Künstler, welche mit ihrem Schaffen die Schnittstelle zwischem dem öffentlichen und dem Kunstraum angehen.
Um diese Ausstellung gebürtig zu feiern, wird am Samstag 5. Mai 2018 nicht nur eine Vernissage veranstaltet – es wird mit Barbetrieb und Live-Inszenierung der Performance „Insight Thut“ die Möglichkeit geboten, das kreative Wirken auf neue Weise zu erfassen. Die beiden Künstler Andi Hofmann und Daniel Bracher werden mit ihrem einmaligen Werk nicht nur die Thutsage und somit die zofinger Geschichte anzapfen, sondern sich musikalisch von Alessandro Gianelli (Egopusher) und Roger Odermatt (MONOH) begleiten lassen. Das wird zum Fahnenfressen gut!
Michael: «zofiscope» war 1974 ein grosses Ereignis – ihr beide seid allerdings zu jung, um es erlebt zu haben. Was verbindet euch damit?
Daniel: Na gut, ich war damals bereits drei (lacht). Aber nein, den Zugang fand ich erst durch die Kuratorin des Kunsthauses Zofingen, Claudia Waldner. Zuvor wusste ich nicht wirklich viel darüber.
Andi: So war es auch bei mir, als ich jedoch vom Gedanken hinter «zofiscope» erfahren habe, konnte ich die Parallelen zum Kulturbetrieb im Oxil erkennen: Es geht darum, Kunst niederschwellig zu vermitteln und zugänglich zu machen – sich vom Elitären zu entfernen. Alle machen miteinander Kunst oder Kultur.
Euer Schaffen geschieht im Raum Zofingen – ist hier der Boden für Künstler fruchtbar?
Daniel: Furchtbar und fruchtbar – es ist wohl in etwa wie überall, obwohl die Einflüsse bestimmt kleiner sind als in einer Grossstadt. Viele Leute erschaffen in diversen Bereichen Kultur.
Andi: So habe ich dies durch meine Arbeit im Oxil auch kennengelernt. Oberflächlich konnte ich nie eine Szene entdecken, aber seit der Mitarbeit hier wurde es spürbar.
Als «normaler» Bürger kennt man eher nur die Galerien und Orte wie die kleine Bühne.
Andi: Ja, die Szene ist etwas versteckt – man muss schon suchen. Und so haben auch wir uns kennengelernt. Nebst meiner Arbeit beim Oxil suchte ich nach weiteren, aktiven Leuten und habe dadurch auch von der «Abteilung 3» erfahren und lernte bei einem Besuch Daniel kennen.
Daniel: Manchmal habe ich das Gefühl, in dieser Region arbeiten alle in ihrem Sektor, aber sehr zurückgezogen.
Woran liegt das? Gibt es zu wenige Räume, oder zu viele Berührungsängste?
Daniel: Claudia Waldner bemüht sich extrem und berücksichtigt regionale Künstlerinnen und Künstler.
Andi: Sie ist sehr bemüht, eine Szene zu erschaffen und das Museum für junge Leute und zeitgemässe Kunst attraktiver zu gestalten.
Daniel: Letztes Jahr war ich bei einem Performance-Tag mit dabei – das ist immer etwas, das man schwer deuten kann. Viele Leute tun sich schwer mit dieser Form, aber es ist auch wichtig, dass man an Orten wie Zofingen so etwas macht.
Andi: Was man in Zofingen gut spürt, ist die Trennung zwischen der Musik- und der Kunstszene. Darum wird mit der Neoscope 18 versucht, Brücken zu bilden und Verbindungen herzustellen. Damit beispielsweise auch die Leute vom Oxil merken, dass sie ja auch Kunst machen.
Daniel: Diese Trennung nehme ich auch wahr und verstehe dieses Verhalten gar nicht – alles ist eigentlich im gleichen Metier und müsste nicht aufgespalten werden. Viele Leute haben vor der Vermengung Angst, weil bei der Kunst oft der elitäre Charakter mitschwingt.
Andi: Und das muss sich entwickeln. Claudia Waldner ist sehr offen und kam schon früh mit einem Tanzprojekt als erster Verbindungsschritt auf das Oxil zu.
Wie lässt sich denn die durchschnittliche Bevölkerung für Kunst begeistern?
Daniel: Man macht, was man kann und versucht, die Leute damit zu erreichen. Meist reicht bereits eine Berührung oder ein Besuch, um zu merken, dass Ausstellungen und Kunst gar nichts Furchteinflössendes beinhalten, sondern auch Spass machen können.
Andi: Bei der Produktion des Filmmaterials für die Neoscope haben Leute aus dem Oxil mitgespielt, teilweise auch per Zufall. Und es war wunderbar zu erleben, dass die Schwelle für die Mitarbeit sehr tief war. Es erhielt alles einen sehr spontanen Charakter.
Wäre ein solch grosses Ereignis wie das zofiscope in 1974 heute denn noch möglich?
Daniel: Eigentlich sollte man denken, dass so etwas immer einfacher zu bewerkstelligen wäre. Aber es braucht halt immer Leute, die mit viel Enthusiasmus mitwirken und bereit sind, Fronarbeit zu leisten. Möglich ist es immer, aber es ist ein enormer Aufwand – auch zeitlich. Als ich die Arbeiten von damals gesehen habe, war ich stark beeindruckt – auch weil damals noch weniger «Brücken» existierten.
Ist nicht oft auch das Problem, dass man Musik einfacher einordnen kann und Kunst eher weniger?
Andi: Elitärer Kunst haftet oft etwas Steriles an – grosse Museumsräume, man betrachtet alles in Stille. Aber eigentlich ist in der Kunst alles möglich, und gerade in dieser Ausstellung spielen wir stark mit Räumen und erschaffen Erlebnisse zum Eintauchen. Das wird für viele spannend sein, das Kunsthaus in einer anderen Form wahrzunehmen.
Daniel: Es gibt viele Einsichten und Ansichten in der gesamten Ausstellung, welche in eine ähnliche Richtung zielen. Bei unserem Projekt werden Musik und Bilder kombiniert – diese Grenzen sollten viel öfters überschritten werden.
Nebst Rhythmus und Klang wird an der Neoscope auch mit den gesellschaftlichen Strukturen gespielt. Wie kann man solch umfassende Themen denn in Klänge fassen?
Daniel: Wir gingen dies relativ spontan an – wir machten, was uns Spass macht und was wir können. Andi beispielsweise ist ja der King Of Trash.
Andi: Genau, der King of Trash, der keinen Trash mehr macht. Bei diesem Projekt arbeiteten sind wir sehr frei, experimentell und situativ vorgegangen. Ein bisschen wie früher zu den trashigen Zeiten.
Daniel: Und da die Musiker von Andi nur den Rahmen erklärt erhielten und kein Bildmaterial, war alles sehr frei und offen. Interessanterweise harmonieren die Ergebnisse nun verdammt gut.
Wie kam die Zusammenarbeit mit Alessandro Gianelli und Roger Odermatt zustande?
Andi: Der ursprüngliche Wunsch war, mit Egopusher zusammenzuarbeiten. Doch da dies leider nicht klappte, wurden Roger und Alessandro an einem Auftritt im Oxil angefragt und beide waren sofort dabei. Das Tolle daran ist ja, dass beide einen Zofinger Hintergrund haben – was ideal war, da uns etwas Zeitgemässes und Lokales vorschwebte.
Ihr plant für die Vernissage eine multimediale Inszenierung mit Bezug zur Thut-Sage. Wie wichtig ist für euch die heimische Geschichte?
Daniel: Das hat sich mehr oder weniger so ergeben. Die Figur des Thut ist sehr diffus und wird in einer künstlerischen Freiheit dargestellt. So wie sie auf dem Brunnen steht, hat sie wohl nicht existiert. Vom Museumsleiter Urs Siegrist habe ich erfahren, dass Zofingen einen Helden gesucht hatte – aber die Figur ist offen und man sollte nicht zu viel Respekt vor einer erfundenen Geschichte zeigen.
Andi: Genau, damit haben wir dann gespielt und die vorhandenen Grenzen weiter zu entwickeln und auszuschmücken versucht. Wir sahen die Geschichte als Spielwiese, aus der wir gewisse Elemente verwendet und verändert haben.
Daniel: Der Humor darf natürlich auch nicht zu kurz kommen. Schon beim Arbeitsprozess war es sehr unterhaltsam, und den lockeren Umgang fanden wir schnell.
Ihr arbeitet beide mit unterschiedlichen Materialen. Was gefällt euch am besten?
Daniel: Das kann ich so direkt nicht sagen, es ist immer abhängig von der Phase. In letzter Zeit habe ich viel mit Installationen gearbeitet, was auch immer mehr Vorbereitungen und Budget benötigt. Darum freue ich mich sehr darauf, nach Jahren endlich wieder zu malen.
Andi: Was ich sehr spannend finde, ist die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Personen. Sei es mit Daniel als Künstler oder mit einem Architekten. Ich versuche mit jedem Projekt eine neue Begegnung zu verbinden und etwas Neues auszuprobieren. Immer wieder auf die gleiche Art ein Musikvideo zu erstellen ist eher langweilig, darum suche ich nach neuen Kollaborationen.
Ihr habt euch durch diese Ausstellung kennengelernt – kanntet ihr zuvor denn die Arbeiten des anderen?
Daniel: Wir haben über die Jahre hinweg immer wieder Arbeiten des anderen gesehen, das hat sich so ergeben. Andi war ein paar Mal an meinen Ausstellungen …
Andi: Und du hast im Oxil in der Gestaltungsgruppe mitgearbeitet. Witzig war, als wir einmal am Abend bei der Arbeit nicht nur das Eintauchen in den Thut, sondern auch in das Persönliche passierte. Das fand ich sehr schön und auch symbolisch.
Das wird demnach nicht die letzte gemeinsame Arbeit bleiben?
Daniel: Hoffentlich nicht. Wir planen momentan nicht direkt etwas neues, auch weil alles immer arbeitsintensiv ist. Wir beide haben immer viel los und muss man sich finden. Und wenn es zwischenmenschlich nicht stimmt, dann kann man solche Projekte nicht stemmen.
Andi: Wir haben uns gegenseitig darum sehr viel Freiraum gelassen und jede aufkeimende Idee eingebaut.
Also gab es kein Drehbuch?
Daniel: Wir haben oft zusammen gesprochen und daraus hat sich dann vieles entwickelt. Zusammen reden, das klappt bei uns super.
Andi: Wir sind beide Chaoten, darum waren wir wohl auch sehr loyal einander gegenüber. (lacht)
Wie viele Verknüpfungspunkte gibt es denn zu den weiteren Teilnehmern?
Daniel: Andi hat durch seine Partnerin Maria Bänziger einen starken Anknüpfpunkt, bei mir fand der Kontakt eigentlich nur während dem Aufbau und im Vorfeld ein wenig statt.
Andi: Genau aus diesem Grund bin ich sehr überrascht, wie gut alle Werke zusammenpassen. Viele gute Zufälle haben sich auch ohne Fügung ergeben – es sind viele Brücken entstanden. Sei es nun das Thema Raum oder weisse Flächen und Bilder, optische Täuschungen und dergleichen.
Habt ihr denn nun gewisse Erwartungen an die Vernissage und Ausstellung?
Daniel: Natürlich hoffen wir auf viele Besucher – und es darf ein gutes Fest werden.
Andi: Bloss keine steife Vernissage. Zusätzlich konnten wir unsere Performance nie proben – das wird im Moment stattfinden und einmalig sein. Das macht mich etwas nervös, da man es im Gegensatz zur Ausstellung nicht planen kann.
Daniel: Dieser schwebende Zustand gefällt mir sehr gut. Der Zufall darf auch eine Rolle spielen, egal in welchem Gebiet des Schaffens.
Die Musiker werden auch improvisiert spielen?
Andi: Genau, sie werden auf die Bilder und die Geschehnisse eingehen.
Daniel: Ja, und der Wunsch Musik dabei zu haben wurde von Anfang an besprochen. Ich finde es umwerfend, was hier spontan entstanden ist – diese neuartige Umgestaltung des Zofingermarsch.
Wird die Performance aufgezeichnet?
Daniel: Ja, es wird gefilmt und fotografiert.
Andi: Und was daraus entstehen wird, das ist auch noch offen. Vielleicht ein Clip oder gar eine Weiterentwicklung, welche über die Neoscope hinausgeht.
Zum Schluss: Aus welchem Grund würdet ihr denn eine Fahne essen?
Daniel: Wenn sie vom Leutwyler Beck wäre, dann jederzeit. (lacht)
Vielen Dank für eure Zeit.
Interview: Michael Bohli