Datum: 27. April 2013
Ort: Dynamo – Zürich
Geschrieben von: Dennis Bäsecke
Im Gespräch mit: Benni Cellini von Letzte Instanz
Heute ist es soweit! Die Letzte Instanz beendet in Zürich die „Ewig-Tour“ und damit ihre epische Album-Trilogie. Zwischen dem Treffen mit dem ersten offiziellen Fanclub der Instanz aus der Schweiz und dem Konzert nimmt sich Benni Cellini Zeit für einen kleinen Plausch:
Dennis: Euer neues Album hat mich mit seiner Bandbreite und Vielfalt beim ersten Hören förmlich erschlagen. Wie bringt ihr eine solche Farbvielfalt unter einen Hut und klingt trotzdem immer unverkennbar nach der Letzten Instanz?
Benni: Wir haben ja seit Jahren eine gut eingespielte Bandstruktur und es beteiligt sich jeder an der Musik. Dann geht aber noch alles durch die Hände unseres Gitarristen und der hat dann musikalisch die absolute Macht und deswegen auch einen Überblick. Ja und zum Finale der Trilogie mussten wir dann natürlich auch nochmal einen draufsetzen und das haben wir damit gemacht. Für die Fülle spielt wahrscheinlich auch unser neuer Produzent eine entscheidende Rolle: Simon der Schlagzeuger von Subway To Sally. Diese beiden „harten Metal-Typen“ haben dann einen sehr wuchtigen Sound gemacht.
Dennis: Was waren denn die interessantesten musikalischen Inputs von aussen in den letzten zwei Jahren? Die grösste Entdeckung?
Benni: Jeder entwickelt sich natürlich weiter. Ganz selten werden wir gefragt, warum wir die Sachen vom Anfang nicht mehr spielen. Da ist meine Antwort immer, wir sind 15 Jahre älter geworden, die Musik auch und jeder hat sich in eine spezielle Richtung weiterentwickelt. Da kann es schon passieren, dass man mit den alten Songs einfach nichts mehr anfangen kann. Man benutzt als Grösserer einfach anderes Spielzeug, wie als kleines Kind. Jeder hat natürlich eigene äussere Einflüsse.
Ich bin über die Jahre jetzt immer mehr mit kleineren Projekten unterwegs gewesen und schnuppere überall mal rein. Eine schöne Erfahrung aus dem letzten Jahr war, als wir für In Legend die Streicher gemacht haben. Das ist der Drummer von Van Canto mit seiner „Hand-Hammered-Piano-Craft-Musik“. Das sind drei Pianisten, ein Bassist und ein Schlagzeuger, die Heavy Metal spielen. Das war Wahnsinn! Ansonsten bin ich zum ersten Mal in meinem Leben ein bisschen auf elektronische Musik gekommen. Da habe ich früher immer Abstand gehalten. Jetzt habe ich die erste elektronische Musik gefunden, die mir gefällt und das ist Dubstep. Da bin ich weit hinter allen, weiss ich. Aber eine grösste Entdeckung… Das kann ich nicht sagen.
Dennis: Obwohl ihr so offen seid, gibt es doch eine starke Verwurzelung in der Schwarzen Szene. Seht ihr euch als „schwarze“ Band? Was heisst das überhaupt für euch: „schwarz“?
Benni: Dazu möchte ich immer sagen, dass die Schwarze Szene eine sehr gute ist: Treue Fans, die hinter der Sache stehen, für die sie brennen, was man sonst nicht so oft sieht. Im Mainstream ist heute das eine hip, morgen etwas ganz anderes und das alte ist schon vergessen. Die Schwarze Szene ist konstant und gut. Wir sind da natürlich ein Randbereich. Das wollen wir auch sein, weil wir so experimentierfreudig sind. Wir sind sehr gerne in der Schwarzen Szene und wollen da auch bleiben. Wir werden aber immer hart am Wind segeln.
Dennis: War die Arbeit an der Album-Trilogie ein besonderer Kraftakt verglichen mit der Arbeit an „nur“ einem Album?
Benni: Es war schön mal so zu arbeiten. Ich fand es vor allem abgefahren, wie sich das entwickelt hat. 2008 hatten wir die Idee aber natürlich noch nicht alle Stücke. Wir haben einfach gesagt: Wir schmeissen die Stücke, die nicht auf die Platte kommen nicht weg, sondern heben sie auf und bauen dann darauf so auf, dass es am Ende drei CD’s werden. Einen Kraftakt würde ich das nicht unbedingt nennen. Es war eine schöne neue Erfahrung, eine schöne Zeit, die jetzt leider bald vorbei ist. Aber es kommt ja eine neue. Wir haben heute schon wieder lange und geredet. Die neue Platte ist noch nicht in Arbeit aber in Planung. Es wird nie langweilig.
Dennis: Es gibt immer diesen tollen Moment bei euren Konzerten, wenn „Wir Sind Allein“ kommt und alle ein bisschen zusammen rücken. Wie zentral ist dieser Aspekt in eurer Musik?
Benni: Es ist einfach schön, wenn alles zusammenrückt. Wichtig ist es sicher auch. Jetzt machen wir das ja viele Jahre. Es ist eine super Sache geworden. Für uns auf der Bühne ist es eigentlich eine Erleichterung, weil sich dann kein Schwein mehr dafür interessiert, was auf der Bühne passiert. Wir könnten eigentlich runtergehen oder einschlafen dabei. Alle gucken in eine andere Richtung, halten die Arme hoch und sind mit sich selbst beschäftigt.
Es ist sehr schön, dass die Gemeinschaft da hochgehalten wird. Das schönste Erlebnis für uns war da wohl das „Dark Winter’s Night“ in Oberhausen. Da wurden wir als Co-Headliner vor Nightwish nachträglich dazu gebucht, weil eine Band abgesprungen war. Keiner wusste, dass wir da spielen, wir standen auf keinem Plakat und bei der Autogrammstunde vorher waren zwei Leute – von 12’000. Dann sind wir da auf die Bühne und haben alles gegeben. Das war schon komisch; sowas kann ja auch nach hinten losgehen. Und als dann bei „Wir Sind Allein“ diese 12’000 Metaller da standen und mitgemacht haben: Das war Gänsehaut pur.
Dennis: Seht ihr das auch als eure „Mission“ als Musiker, Menschen zusammen zu bringen?
Benni: Sicherlich. Man macht das ja um nicht bloss sich, sondern auch anderen eine Freude zu machen. Dann interpretiert natürlich jeder was anderes hinein, das zu seinem Leben dazugehört. Unser Sänger ist sicherlich ein Typ, der sich viel von der Seele schreibt aber damit auch viel vom Leben behandelt. Da sind wir sicher eine Band, die mit Texten und Inhalten sehr in die Tiefe geht. Es ist immer schön, wenn die Leute zusammen kommen. Das ist schon auch ein bisschen die Vision dabei.
Dennis: Du sagst es gerade: Eure Lieder haben ja viel mit dem Leben zu tun. Wo und wann kommen die guten Ideen?
Benni: Das kann unter der Dusche sein oder in der Strassenbahn. Ich schreibe die Texte ja mit Holly zusammen, bevor sie in den Pool geworfen werden und jeder noch was dazu sagt. Wir haben sowohl schon im Garten vorm Studio Texte in zehn Minuten fertig gemacht, als auch monatelang an ein paar Wörtern rumgetüfftelt. Wo und wann die Ideen kommen, kann man nie beeinflussen.
Dennis: Und wie geht es dann weiter mit den Ideen?
Benni: Wir wohnen ja sehr weit auseinander; die Streicher in Dresden, Gesang und Schlagzeug in Berlin, Bass und Gitarre in Nürnberg beziehungsweise Würzburg und Holger (zweiter Gesang) in Leipzig. Dadurch läuft das meistens übers Internet. Da sagt dann jeder seine Meinung zu allen Ideen, was einen übelst grossen Mailverkehr gibt. Wenn’s dann einmal im Computer steht, treffen wir uns zum Proben und die Sache wird „rundgespielt“.
Dennis: Stichwort Internet: In den letzten 15 hat sich ja die Medienwelt ziemlich auf den Kopfgestellt. Wie hat sich da das Musikersein verändert?
Benni: Es ist unglaublich! Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es ohne Internet auf Tour war. Man hat so viel zu tun. Nur schon jeder mit seiner eigenen Facebook-Seite. Da passiert natürlich auf Tour ganz viel – allein die ganzen neuen Freundschaftsanfragen. Man möchte ja auch für alle da sein. Ich hab keine Ahnung wie das war: Wir hatten ja noch nicht mal Telefone, als das vor 15 Jahren losging. Da waren einfach die beiden Autos mit so einem Trucker-Funkgerät verbunden. Ich hab neulich mal darüber nachgedacht, wie wir überhaupt damals Plakate gedruckt haben. Keine Ahnung! Die Zeit ist weg. Es ist ja nicht einfacher geworden, sondern unterm Strich hat jeder noch mehr Arbeit. Ist aber auch nicht schlimm – es macht ja Spass.
Dennis: Hat sich auf der Tour ein persönlicher Favorit vom neuen Album herauskristallisiert?
Benni: Unsere Favoriten waren und sind so Experimentierstücke wie „Blind“ und „Von Anfang an“, die sehr „popig“ sind. Die haben sich als starke Lieder bewiesen. Die Leute sind berührt und immer sofort dabei. Wir spielen ja zum Beispiel auch „Schuld“. Da haben wir gemerkt, dass wir die Leute ein bisschen überfahren. Man sieht das in den Gesichtern, dass die Leute nicht so richtig wissen, wie sie damit umgehen sollen. Wir haben darüber viel diskutiert. Wenn eine Band, die live sonst soviel Spass rüber bringt, auf einmal ernst wird. Dann ist das schon eine Irritation. Wir finden das aber gut, gerade in solchen Zeiten (mit Grüssen nach Nordkorea), wenigstens ein ganz kleines Zeichen zu setzen.
Dennis: Häufig sind die Statements anderer Bands ja doch eher schwammig.
Benni: Ja, das verstehe ich gar nicht, dass das in Deutschland immer ein bisschen untergeht. Da gibts ein paar Bands die das machen aber ganz viele gehen da auch gar nicht drauf ein. Ich hab mir das immer gewünscht. Jetzt haben wir’s mal gemacht. Ich bin sehr froh drüber und wir stehen dazu.
Dennis: Wenn im Dezember tatsächlich die Welt untergegangen wäre, mit welchem Lied auf den Lippen wärst Du gerne abgetreten?
Benni: Hmm – an dem Tag haben wir ja gespielt. [Holly Loose raunt schmunzelnd „Finsternis“ in den Raum] Es gibt ja mittlerweile 153 Songs von der Letzten Instanz… mit welchem ich jetzt gerne gestorben wäre? Das würde dann doch vielleicht von einer anderen Band kommen. Aber von uns? Irgendwas Hoffnungsvolles… [Holly Loose raunt abermals schmunzelnd „Finsternis“ in den Raum] Hoffnung ist bei der Letzten Instanz doch ein sehr grosses Thema. Vielleicht „Regenbogen“ oder „Für Immer Und Ewig“.
Dennis: Habt ihr eine Lieblingstonart?
Benni: Oh, grosses Bandproblem! Also Streicher mögen ja C-Dur und D-Dur besonders. Einfach möglichst wenig Vorzeichen. Das hat nichts mit Faulheit zu tun, oder dass man nicht will. Die alten Instrumente sind einfach für diese Lagen gebaut. Die Gitarristen dagegen wollen ja immer tiefer und tiefer. Jede Saite wird irgendwie runtergestimmt. Denen ist es sowieso egal, in welcher Tonart sie spielen. Ich kann nur für mich sprechen. D-Dur ist eine wunderbare Tonart, G-Dur auch. As-Dur geht auch noch, aber alles was darüber ist, ist für uns kritisch und klingt meistens auch nicht mehr schön, weil es angestrengt ist. In der Band gibt es eine Tonart, die besonders oft vorkommt und da sieht man wieder, dass der Gitarrist das Sagen hat. Das ist h-moll.