31. März 2017
Im Gespräch mit: Björn Gelotte – Gitarrist bei In Flames
Die schwedischen Melo Death-Giganten In Flames haben sich für ihre „In Our Room“-Tour etwas Spezielles einfallen lassen. In Begleitung eines Streichquartetts beehren sie diverse Lokalitäten, welche sich durch ein unkonventionelles Ambiente auszeichnen. Eingefleischte Fans der Band konnten sich einer Mischung aus akustischen Werken und ihrer typisch brachialen Bühnenshows, aber auch über ein Konzert mit hautnahem Kontakt zu den Musikern erfreuen. Im Theater 11 in Zürich liessen In Flames diese Tour ausklingen. Wir haben diese Chance genutzt und uns mit Gitarrist Björn Gelotte getroffen, um ein Bierchen zu zischen und ein wenig zu plaudern.
“Bierdosen zischen”
Björn: Ahh, das ist eine gute Art, ein Interview zu starten!
Patrick: Absolut! Cheers!
Björn: Skål!
Willkommen zurück in Zürich, wie geht es dir?
Es geht mir sehr gut! Wir hatten gestern einen freien Tag. Den nutzten wir für einen Spaziergang vom Hotel bis ins Zürcher Niederdorf.
Oh wow, das ist ja nicht gleich um die Ecke!
Ja, allerdings. Ich spüre es auch ein wenig in meinen Beinen. Aber es war wunderschönes Wetter und ich habe es sehr genossen, ein wenig durch die Zürcher Altstadt zu schlendern.
Und heute bei diesem schönen Wetter warst du nochmals in der Stadt?
Nein, nein. Der heutige Tag war sowas von “Rock’n’Roll”. Ich war in der Sauna, habe ein wenig im Whirlpool relaxt und anschliessend draussen zu Mittag gegessen. (lacht) Ich habe einfach ein wenig das warme Wetter genossen, denn wenn ich wieder zuhause in Schweden bin, ist es eisig kalt.
Heute ist das letzte Konzert eurer “In Our Room“-Tour. Wie war es für euch, diese spezielle und intime Tour zu machen?
Die Planung für diese Tour war eine echte Herausforderung. Wir wollten etwas Intimes machen, bei dem wir viel Kontakt mit dem Publikum haben und das nicht dem typischen In Flames-Klischee entspricht.
Für diese Tour haben wir uns mit ein paar Leuten eines Orchesters zusammengetan und versucht, etwas Spezielles zustande zu bringen. Es hat sich schnell gezeigt, dass es funktioniert und so haben wir uns dafür entschieden, auf dieser Tour zum ersten Mal ein Streichquartett mit an Bord zu nehmen. Die Vorbereitungen dieser Tour dauerten zwar länger als die Tour selbst, aber es hat sich auf jeden Fall sehr gelohnt. Wir hatten grossen Spass, mit diesen tollen Musikern zusammen zu arbeiten.
Ihr habt in sehr speziellen Locations gespielt. Gab es da eine, die dir besonders gut gefallen hat?
Auf dieser Tour spielten wir in vielen untypischen Locations. Naja, nicht untypisch für Konzerte, aber untypisch für Konzerte im Rock/Metal-Genre. Wir spielten in Kirchen, Opernhallen und hier in Zürich sogar in einer bestuhlten Theaterhalle. Das alles sind keine Locations, in denen wir normalerweise spielen. Und heute Abend wird es bestimmt keinen Moshpit geben – wird auch schwierig wegen all den Sitzen. (lacht)
Ich denke, alle diese Locations waren auf ihre eigene Art speziell. Deshalb dauert diese Tour auch nicht sehr lange, denn es war enorm schwierig, solche Locations zu finden. Meist sind diese durch andere Veranstaltungen ausgebucht.
Können eure Fans können in Zukunft mit mehr akustischen Konzerten rechnen, oder sogar mit einem akustischen Best Of Album?
Puh, das ist zu früh, um darüber nachzudenken. Akustische Konzerte gehören nicht zu unserem Alltag. Aber wenn wir es vermischen können, wie wir es auf dieser Tour machen, dann macht es Spass und es bringt eine gewisse Spannung ins Set. Allerdings denke ich nicht, dass wir in naher Zukunft ein ganzes Unplugged-Konzert oder -Album spielen werden.
Es gibt sehr viele In Flames Songs, die sich gut für eine akustische Kompositionen eignen. Wie habt ihr euch entschieden, welche Songs ihr für diese Tour neu arrangiert?
Wir haben bereits bei den Proben vor unserer letzten Amerika-Tour einige Songs in akustischen Versionen ausprobiert, weil wir wussten, dass wir auf der Tour für ein paar Radiosender spielen würden. Auch den Song “Oblivion” vom Album Siren Charms haben wir zuvor mit Orchester in einer Fernsehshow gespielt. Es kommt halt immer auf den Song an. Ist der Song zu schnell, dann ist es sehr viel Arbeit, um ihn umzuschreiben – oder er ist dann nicht mehr originalgetreu und verliert dadurch seinen Charakter. Songs, welche eher langsam sind und viele Melodien beinhalten, eignen sich definitiv am besten.
Peter Iwers hat sich entschieden, seine Tätigkeit als Bassist bei In Flames nach 18 Jahren an den Nagel zu hängen. Wie war diese Entscheidung für euch?
Es ist immer eine schwierige Situation, wenn sich jemand dafür entscheidet, die Band zu verlassen. Wenn du merkst, dass es für dich nicht mehr das Richtige ist, dann solltest du besser einen anderen Weg einschlagen. Denn es ist anstrengend und bringt viel Arbeit mit sich. Wenn du da nicht mit Herzblut dabei bist, wird es immer schwieriger. Peter ist einer unserer besten Freunde. Dass er sich dafür entschieden hat, In Flames zu verlassen, wird schon seine Gründe haben. Dasselbe gilt für Daniel und Jesper, welche die Band zuvor verliessen.
Aber die Band ist noch da! Auch wenn es viele Änderungen unter den Bandmitgliedern gab, der Sound und die Essenz von In Flames sind stets vorhanden. Es waren immer die Melodien, die harten Gitarrenriffe und die Suche nach dem, was uns interessiert. Wir lieben, was wir tun und das ist das Wichtigste.
Es ist bestimmt nicht leicht, einen solch charismatischen Bassisten wie Peter Iwers zu ersetzen …
Kein Bandmitglied war leicht zu ersetzen. Dennoch sind wir mit all den Leuten der jetzigen Bandkonstellation wirklich glücklich. Seit dieser Tour ist Kåkan Skoger am Bass und er macht seinen Job wirklich grandios! Er kannte die Songs bereits und passt perfekt zu uns. Mit Joe, unserem neuen Drummer, war es dasselbe. Wir kannten ihn kaum bis zu dem Zeitpunkt, als er mit uns im Studio an den Aufnahmen zu Battles gearbeitet hat. Es stellte sich schnell heraus, dass er einfach ein toller Typ ist und so fragten wir ihn, ob er die Position des neuen Drummers von In Flames einnehmen möchte. Er antwortete gleich mit einem grossen Ja, ohne überhaupt darüber nachzudenken.
Euer neustes Album Battles wurde von Howard Benson produziert. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Es war wirklich gut! Er forderte uns enorm und es war für uns so ziemlich das erste Mal, dass wir so eng mit einem Produzenten zusammengearbeitet haben. Oft hatten wir mit Produzenten zu tun, die an unseren Songs rumbasteln wollten. Vielleicht ein bisschen unfair von uns, denn die Produzenten wissen ja, was sie tun. Doch wenn es um unsere Songs geht, sind wir sehr beschützerisch und beteiligen niemanden ausserhalb der Band am Songwriting-Prozess. Bei Howard haben wir das erstmals zugelassen – auch wenn ich ehrlich gesagt etwas Angst davor hatte. Doch er machte uns gleich zu Beginn klar, dass er nichts verändert und wir nichts zu befürchten haben. Zugleich verlangte er viel von uns ab. Zum Beispiel, dass wir vor dem eigentlichen Aufnahmeprozess bereits die Demos mit den Vocals bereit haben. Das setzte Anders Fridén (Leadsänger) und mich natürlich sehr unter Druck. Wir haben das zuvor noch nie auf diese Art gemacht und am Ende fragten wir uns, wieso eigentlich nicht? Es ist der Wahnsinn! Man hat ein ganz anderen Bezug zum Songwriting und eine gewisse Sicherheit bei den Aufnahmen.
Die Vocals auf dem neuen Album unterscheiden sich auch von den älteren Alben.
Absolut! Wir hatten viel Zeit, um an den Vocals zu arbeiten. Ausserdem liegt das an der Zusammenarbeit mit Howard, denn in Bezug auf Vocal-Aufnahmen ist er ein absoluter Experte. Er verwendet viel Equipment und arbeitet mit unkonventionellen Methoden. Zuerst war es für uns eine Herausforderung, doch ab dem Zeitpunkt, ab dem wir seine Arbeitsweise verstanden haben, war es ein Zuckerschlecken. Der weitere Aufnahmeprozess war sehr kreativ und wir schöpften viel Inspiration aus seiner Arbeitsmoral. Es war genial!
Ihr habt eine Live-DVD mit dem Namen „Sounds From The Heart Of Gothenburg“ produziert. Wie war es für euch, vor euren Freunden, Familien und Nachbarn zu spielen?
Es ist immer ein wenig stressig. Nicht etwa weil man weiss, dass sie zuschauen. Wenn du nicht gerade spielst, rechnen sie mit deiner vollen Aufmerksamkeit, und du kannst dich ja schlecht einfach Backstage verkriechen, ohne mit den Leuten zu plaudern. Das ist der stressvolle Aspekt daran. Dennoch ist es für uns immer grossartig, in unserer Heimat Göteborg zu spielen. Zur Anfangszeit von In Flames spielten wir in Göteborg in nahezu jedem noch so kleinen Club. Mittlerweile gibt es dort eine riesige Metal-Community und wir füllen die Eishockeyarena. Das war für uns einfach ein magischer Moment, denn wir selbst haben in dieser Arena Bandgrössen wie Iron Maiden, Metallica, Anthrax, Slayer, Whitesnake und viele mehr gesehen. Aus diesem Grund wollten wir den Moment in einer Live-DVD festhalten. Normalerweise ist die Akustik in dieser Arena furchtbar, aber unser Sound war wirklich gut! (lacht)
Wenn du nicht Musiker geworden wärst, welchen Beruf würdest du heute ausüben?
Hmm, weisst du, darüber mache ich mir gar keine Gedanken. Ich war 19, als ich der Band beigetreten bin. Heute bin ich 42. Ich habe also mehr als die Hälfte meines Lebens in dieser Band verbracht. Ich besuchte zwar mal eine Schule für Elektriker, doch ich habe nicht einen einzigen Tag auf diesem Beruf gearbeitet. Ich ging da nur hin, weil alle meine Musikerkumpels auf dieser Schule waren.
Gibt es eine witzige Tourgeschichte, die du mit der Schweiz in Verbindung bringst?
Lass mich nachdenken … Ja! Die gestrige Taxifahrt war sehr interessant. Ich fragte den Fahrer, ob ich mit Kreditkarte zahlen kann. Er war nicht sehr glücklich darüber, doch er bejahte und holte sein Kartenlesegerät hervor. Ich wartete an die fünf Minuten, bis er es schliesslich zum Laufen brachte. Irgendwie musste er es sogar neu installieren. Als ich dann bezahlen wollte, meine er: “Es ist zu kalt!”. Daraufhin drehte er die Heizung im Auto voll auf und hielt das Gerät an die Lüftung. Und plötzlich funktionierte es. Das war schon höchst skurril!
Was sind eure Pläne nach dieser Tour?
In ein paar Tagen geht es gleich weiter nach Russland, genauer gesagt nach St. Petersburg und Moskau. Danach pausieren wir für ein paar Wochen, um uns auf unsere Amerika-Tour vorzubereiten. Dort spielen wir auf einigen Festivals. Anschliessend geht’s bis Ende Juli zurück nach Europa, um auch hier an der Festivalsaison teilzunehmen. Unter anderem spielen wir dann auch am Greenfield Festival in der Schweiz. Danach haben wir uns ein paar Monate Pause verdient.
Interview: Patrick Bottarella