30. März 2020
Im Gespräch mit: Marc Bouffé (Gesang und Gitarre) von Hathors.
Der Releasetermin für das neue Album der Winterthurer Hathors war auf Ende April geplant, wurde aber auf den 22. Mai verschoben. Was dies alles so mit sich zieht und wie sich eine Schweizer Rockband in der Corona-Krise fühlt, darüber konnte ich mit Marc Bouffé, dem Sänger der Band, reden. Reden wie man es eben in der Corona-Zeit macht: Über den elektronischen Weg.
Mein erster Gedanke war, ob alles wie geplant aufgegleist werden kann. „Der Release wurde bereits auf den 22. Mai verschoben, weil die Plattenläden bis auf Weiteres geschlossen sind. Ob die Tour im Mai überhaupt zustande kommt, steht aktuell immer noch in den Sternen. Neben der Promo für die Tour wird es für uns eine grössere Herausforderung, das Album an die Leute zu bringen. Uns wird ja nachgesagt, dass wir eine überzeugende Live-Band sind und dies bei Konzerten auch zum Kauf einer Platte animiert. Da wir mit einem kompletten Ausfall der Release-Tour rechnen, fällt dies weg. Andersrum haben die Leute, welche sich für unsere Musik interessieren und in Quarantäne stecken, genügend Zeit sich die neue Scheibe richtig anzuhören und wissen dann auch, was sie erwartet bei den im Herbst geplanten Shows“, meint Marc dazu.
Nicht nur die Tourproblematik, auch andere Dinge machen Sorgen: Kleine Klubs, Magazine und Radios, welche finanziell nicht gut aufgestellt sind und sich durch Werbung unter anderem von Klubs und Veranstalter finanzieren. „Da fliesst durch die abgesagten Tourneen aktuell kein Geld. Dies verursacht Angst und lässt sie in einem Schwebezustand. Viele davon haben uns in der Vergangenheit unterstützt und sind für eine Indie-Band wie uns essenziell für gute Promo“, erzählt Marc.
In der Schweiz wurde das erste Rettungspaket für die Kulturbranche bereits freigegeben. SONART setzt sich für die Künstler*innen ein und dokumentiert aktuell die Gagenausfälle. „Dies hat mich schon mal etwas beruhigt!“ Marc habe sich gefreut, dass Kunst und Kultur als Wirtschaftszweig akzeptiert und entsprechend gestützt wird. Daher seien die ausgefallenen Konzerte von April bereits dokumentiert und die Band sei gespannt, wie sich dies weiterentwickeln wird. Unter den gestrichenen Shows sind die „25-Jahre Noisolution Label Party“ in Berlin, eine Show in Hamburg und die Plattentaufe im Salzhaus Winterthur. Es sind jedoch für den Mai noch 14 weitere Shows geplant. Da das BAG aktuell jedoch keine Neuigkeiten bezüglich Öffnung der Grenze bekannt gegeben hat, bleibt den Hathors und deren Booking Agenturen nichts anderes übrig als abzuwarten. Falls es irgendwie möglich ist, versuche man die Tour in den Herbst zu verlegen. Jedoch ist hier der Knackpunkt: Diese Idee haben momentan unzählige andere Bands und die Veranstalter werden mit Anfragen überhäuft.
Die Proben haben die drei bis auf Weiteres auf Eis gelegt, da der neue Bassist der Band (Marco Naef) von Basel nach Winterthur fahren muss und aktuell sowieso keine Konzerte gespielt werden können. Jedoch sei ein Streaming-Konzert aus dem Proberaum geplant: „Dieses werden wir wohl in zwei Wochen aufnehmen. Zudem arbeiten wir an neuem Merch. Ich habe bei mir zu Hause ein Home-Studio eingerichtet und arbeite zurzeit bereits an neuen Songs für das nächste Album.“ Ob sich das Thema „Lockdown“ in den neuen Songs widerspiegelt kann Marc aber noch nicht sagen.
Privat hat Bouffe nicht wirklich Angst vor Covid-19. „Ich gehöre nicht in die Risikogruppe und halte mich an die Empfehlungen des BAG. Sorgen mache ich um mir nahestehende, ältere Personen.“ Auch, dass die Grenzen zwischen Deutschland und Schweiz geschlossen sind, mache die Situation nicht leicht: „Meine Freundin lebt in Konstanz. Wir wissen momentan nicht, wann wir uns wiedersehen können.“
Das Gespräch mit Marc beinhaltete aber auch Erfreuliches. Das neue Werk „Grief, Roses & Gasoline“ wird zum Glück erscheinen, wenn auch ein bisschen später. Marc erzählte mir, wie sich die Hathors-Geschichte über die Alben verändert hat: „Das Debüt von den Hathors hatte nebst dem Rotz sehr viel Pop-Appeal und wurde mit einem grossen Team produziert. Dies war eine kostspielige Angelegenheit und wir brauchten sechs Jahre, um die angehäuften Schulden zu begleichen. Live kamen die Songs wesentlich engergiegeladener daher, was jedoch viele Fans irritierte, die das Album gehört hatten und dann das erste Mal an einer Show von uns waren. Aus diesem Grund wurde das zweite Album „Brainwash“ mit einem sehr kleinem Team live im eigenem Studio aufgenommen, ohne grossen Schnickschnack rundherum.“ Im Vergleich zum erstem Album habe „Brainwash“ viel mehr Ecken und Kanten, klinge richtig roh und will eigentlich gar nicht gefallen. – Das Pop-Appeal war kein Thema und man wollte ein bisschen die Grenze zum Hörbaren ausreizen.
„Das dritte Werk „Panem Et Circenses“ war sozusagen eine Hybrid-Version von den ersten zwei Alben. Eine weiteres Instrument, das Saxophon, kam dazu bei den Aufnahmen. Wir produzierten Schlagzeug und Bass im Brighton Electric Studio mit einem kleinen Team. Gitarre, Saxophon und Gesang wiederum produzierten wir bei mir in meinem eigenen Studio. Das Album klingt fetter als der Vorgänger, kratzt immer noch wie Sau, will aber etwas mehr gefallen. Es ist sicherlich der Schlagzeuger-Wechsel zu hören.“
Bei dem Neuling „Grief, Roses & Gasoline“ spielt eine komplett neue Band hinter Marc. Die Songs wurden wie bisher alle von ihm geschrieben. Sie klingen reifer und in der Band gemeinsam bearbeitet. Dass die Songs so klingen habe man an den beiden Hathors-Mitstreiter zu verdanken: Dominique konnte sich nebst hervorragenden Drumming auch als Produzent einbringen. Bassist Simeon, der das neue Studioalbum einspielte, ist in den USA aufgewachsen und ist Marc als Muttersprachler bei den englischen Texten eine grosse Hilfe. Reifer seien die Inhalte und wurden aus einer lebensbejahenden Perspektive geschrieben: „Bei den vorherigen Alben ging es vielmehr um Herzschmerz, Liebeskummer und Sorgen. Die neuen Texte sind hoffnungsvoller und versöhnlicher. Es dreht sich neben vielen sozialkritischen Themen auch um die Liebe und was diese auslösen kann und wie einen dies verändert.“ Das liege sicher auch daran, dass er in den letzten Jahren eine gute Phase im Leben hatte und sich diese Energie in den Texten und Musik widerspiegelt.
Das Album habe ein musikalisches Konzept: Die drei versuchten einen guten Bogen zwischen den krachenden und den zugänglichen Songs mit mehr Pop-Appeal zu schaffen. Auch visuell hatten die Hathors ein Konzept. „Das Cover und die Bilder für das Album-Artwork wurde während den Video-Aufnahmen für die Single „Where were you?“ geschossen. Für das Video haben wir den ganzen Proberaum in Alufolie eingekleidet und ein Künstlerkollektiv eingeladen, mit denen wir eine dadaistische Performance in Leoparden-Ganzkörperanzüge ausheckten.“ Das Konzept ist auch für ein weiteres Video verwendet worden, welches dann am 22. Mai veröffentlicht wird. Der Song „The Valley“ hat eine punkige College-Rock-Note und ist vielleicht schon bald im Radio zu hören.
Da die Krise die Jungs hart getroffen hat, habe man sich viel über dieses Thema unterhalten. „Wir werden die Krise sicher überstehen!“, sagt Marc optimistisch. Momentan helfe es, wenn die Platte der Hathors vorbestellt wird, die Songs auf Spotify in den Playlists landen und Ersatztermine für die Tour gefunden werden. „Dass das SRF momentan mehr Schweizer Künstler spielt, finde ich zudem eine grandiose Idee. Eine faire Auswahl an Künstlern zu gestalten, ist jedoch immer eine Herausforderung. Musik ist immer eine Frage des Geschmackes, ich finde es aber fair, wenn alle Sparten berücksichtigt werden. Klar haben Bands mit Texten, in denen die halbe Welt mit der Kettensäge zerstört wird geringere Chance als z.B. eine rentnerkonforme Band wie Hecht. Es gibt ja aber auch Radiostationen wie das Couleur 3 welches Formate für sogenannte Nischenmusik im Programm haben.“
Unterstützen kann man die Hathors auf Social Media, durch das Vorbestellen des neuen Albums, Merchandise-Käufen und dem teilen der Musik. „Und nach der Krise unsere Konzerte besuchen!“ Das machen wir, ganz bestimmt.
Text: Manuela Haltiner